Hermannus Pfeiffer über Mitbestimmungsrechte in Europas Firmen: Das Drama der kleinen Leute
Westeuropas Modell steckt in der Krise. Nachhaltige Massenarbeitslosigkeit, die tatsächlich oder gefühlt rasant größer gewordene Kluft zwischen oben und unten, Arm und Reich, den „Eliten“ und „ihrer“ Bevölkerung könnten der Europäischen Union bald den Todesstoß versetzen. Eine Mitschuld an dem Drama tragen bereits die fundamentalen Grundlagen der EU, wie sie in den wirtschaftsliberalen neunziger Jahren im Vertrag von Maastricht festgezurrt wurden. Seither zählen nicht die „kleinen“ Leute, sondern die vier Grundfreiheiten. Den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital im Europäischen Binnenmarkt sowie die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit stört die deutsche Mitbestimmung allerdings noch ganz gewaltig.
Immer wieder gab es politische und rechtliche Vorstöße gegen die Mitbestimmung. Nun soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Beispiel des internationalen Reisekonzerns TUI gezielt und final klären, ob die weitgehende deutsche Unternehmensmitbestimmung gegen das Europarecht mit seinen kapitalfreundlichen Grundfreiheiten verstößt.
Die Luxemburger Richter könnten das Ende eines Erfolgsmodells einläuten. Die Unternehmensmitbestimmung ist, seit sie in Deutschland 1976 eingeführt wurde, bestens akzeptiert. Auch bei aufgeklärten Unternehmern und Managern. Schließlich motiviert sie Beschäftigte, für „ihre“ Firma ordentlich zu schaffen.
Gewerkschaften haben dennoch recht, wenn sie heute „mehr“ Mitbestimmung fordern. Für Deutschland, vor allem für Europa. Zwar gibt es in allen 27 EU-Ländern Strukturen für die Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb. Doch oft sind sie nur ein Feigenblatt. Die Mitbestimmung benötigt hohe Mindeststandards nach deutschem Muster in der ganzen Union, wie es der Europäische Gewerkschaftsbund fordert. Das wäre endlich ein vorwärts weisender Beitrag, um Europas Krise zu beenden.
Wirtschaft + Umwelt
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