Herbe Enttäschung für VfL Wolfsburg: Tiefer Frust mitten im Boom
Erstmals seit 2012 haben die Wolfsburger Fußballerinnen die Endrunde der Champions League verpasst. Eine Erklärung könnte die verpatzte WM sein.
Doch was in der Bundesliga und im DFB-Pokal in dieser Saison noch möglich ist, kann in der Champions League nicht mehr gelingen. Im Duell mit Europas besten Teams haben die Wolfsburgerinnen erstmals seit 2012 den Einzug in die Endrunde verpasst.
Das erfolgsverwöhnte Wolfsburg ist irritiert. Die lokalen Zeitungen sind es seit mehr als einem Jahrzehnt gewohnt, über die VfL-Frauen als Vorzeigeteam zu berichten. Nach dem Scheitern in der Qualifikation zur Champions League gegen den Pariser FC wird der Ton schärfer. „Großes Loch zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, titelte die Braunschweiger Zeitung. „Es ist passiert“, stellte die Wolfsburger Allgemeine Zeitung fest.
Der vom Volkswagen-Konzern finanzierte VfL Wolfsburg wird oft als Motor des deutschen Frauenfußballs bezeichnet. Doch der Motor bringt auf dem Weg zum ganz großen Ziel viel zu wenig Leistung. Auch im Bundesliga-Spitzenspiel gegen die aufmüpfige TSG Hoffenheim hatte das Team von Cheftrainer Tommy Stroot große Mühe und kam als Tabellenführer nicht über ein mageres 2:2 hinaus.
Strategie des VfL Wolfsburg geht nicht auf
Dominique Janssen ist eine von vielen Profikickerinnen, die ihr Leben ganz nach der Strategie des VfL Wolfsburg ausrichten. Neben deutschen Assen wie Alexandra Popp, Svenja Huth und Lena Oberdorf beschäftigt der Verein Nationalspielerinnen aus aller Welt. Ohne Teilnahme an der Champions League kommt der für nationale Aufgaben überqualifizierten Mannschaft der Sinn abhanden. „Vielleicht ist es gerade zu wenig“, sagt Alexandra Popp über die aktuellen Leistungen.
Popp ist angesichts ihrer Einsatzfreude, Torgefährlichkeit und Eloquenz Deutschlands prominenteste Fußballerin. Wenn ihr die gute Laune und der Optimismus abhandenkommen, wird es ernst. Und wenn der VfL Wolfsburg es neben dem FC Bayern München nicht mehr schafft, den deutschen Frauenfußball auf der großen Bühne erfolgreich zu vertreten, wirft das viele Fragen auf.
Mit viel Wohlwollen ließe sich erklären: Wenn ein Team wie der VfL Wolfsburg immer gewinnen muss und mehr als zehn Jahre lang in der Champions League stark aufgetreten ist, muss es auch mal einen Dämpfer geben. Dass es in der vergangenen Saison in der Bundesliga hinter dem FC Bayern nur zur Vizemeisterschaft gereicht hat, könnte man ähnlich schönschreiben.
Aber bei genauerer Betrachtung tut sich noch eine andere Erklärung auf. Die Mehrheit der deutschen Nationalspielerinnen, die das Trikot des VfL Wolfsburg tragen, ist im Sommer frustriert und verunsichert von der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland zurückgekehrt. Das frühe Ausscheiden dort wiegt bis heute schwer und beschädigt den jüngsten Boom des deutschen Frauenfußballs. Und nun?
Spielerinnenkader umgestalten
Von heute auf morgen lässt sich der Spielerinnenkader nicht umgestalten. Mindestens ein weiterer Titel muss bis zum Sommer auf den Briefkopf der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, damit sich das Projekt Frauenfußball im bisherigen Umfang rechtfertigen lässt.
In den nächsten Monaten stehen ohne Aufgaben in der Champions League weniger Dienstreisen als gewohnt an. Die Lernkurve wird zwangsläufig flacher. Ein Jahr lang ohne die großen Duelle in Europa auskommen zu müssen, fühlt sich in Wolfsburg wie eine Strafversetzung an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja