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Helmut Schmidt gestorbenAusgedient, aufgeraucht

Der Altkanzler und SPD-Politiker verstarb mit 96 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg. Er war von 1974 bis 1982 Willy Brandts Nachfolger als Bundeskanzler.

Ein leidenschaftlicher Politiker und Raucher Foto: dpa

Hamburg dpa | Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt ist tot. Der SPD-Politiker starb nach Angaben seines Arztes Heiner Greten am Dienstag gegen 14.30 Uhr im Alter von 96 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg.

Schmidt war von 1974 und bis 1982 als Nachfolger von Willy Brandt Bundeskanzler. In der Großen Koalition führte er von 1967 bis 1969 die SPD-Bundestagsfraktion und war danach Verteidigungs- und Finanzminister.

Als Kanzler war der Diplomvolkswirt unter anderem mit der weltweiten Ölkrise in den 70er Jahren und dem Kampf gegen den Terrorismus der „Roten Armee-Fraktion“ konfrontiert. Auch die Auseinandersetzung um den Nato-Doppelbeschluss prägte Schmidts Kanzlerschaft.

Im Herbst 1982 scheiterte die von Schmidt geführte Koalition mit der FDP an Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Seit 1983 war Helmut Schmidt Mitherausgeber der Wochenzeitung Die Zeit, er schrieb zahlreiche Bücher und war für Vorträge viel auf Reisen. Auch im hohen Alter war seine Meinung gefragt und geschätzt.

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13 Kommentare

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  • Der geläufige lateinische Ausspruch „De mortuis nil nisi bene“ wird dem griechischen Philosophen Chilon zugeschrieben, in der griechischen Form „Τὸν τεθνηκότα μὴ κακολογεῖν, γῆρας τιμᾶν“ ursprünglich Solon. Meine lebenskluge Schwiegermutter pflegte zu sagen: „Man muß heiraten, um beschimpft zu werden, und man muß sterben, um gelobt zu werden.“ Die jetzige flächendeckende Beweihräucherung des Kettenrauchers, der sich mit Duldung seiner Bewunderer über die allgemeinen Regeln hinwegsetzte, in allen Medien ist jedenfalls übertrieben. Wieso hat sich der meinungsstarke Vieldenker und unerschrockene Lehrmeister denn eigentlich nie geäußert zum größten Wissenschaftsskandal aller Zeiten, der bereits am 30. Juni 1954 auf der Tagung in Lindau vom Nobelpreisträger Frederick Soddy gebrandmarkt wurde und übrigens mit tatkräftiger Unterstützung seines Publikationsorgans immer noch andauert? Fehlte es ihm hier lediglich an Mut und Rückgrat, welches doch immer so nachdrücklich betont wird, oder doch an Intelligenz?

  • Mit Helmut Schmidt ist nun die letzte der politischen Führungsfiguren der 1970er Jahre, darunter noch Willy Brandt, Herbert Wehner und Franz Josef Strauß, aus der Zeit in der mein politisches Denken begann, abgetreten. Herbert Wehner wurde geachtet, FJS von vielen verachtet, Willy Brandt geliebt und Helmut Schmidt respektiert. Obwohl ich mich während seiner Kanzlerjahre in überwiegender politischer Opposition zu ihm gesehen habe, habe ich seine Standhaftigkeit und seinen Scharfsinn bis zum Schluss bewundert. Farewell Helmut Schmidt ! Sie waren ein Großer !

  • Ich kenne Herrn Schmidt nur als siebenjähriger Bub. Als meine Eltern mich mit auf die Anti-Atombomben Demos mitgenommen hatten. Sie sagten immer, der böse Helmut Schmidt sei schuld das Deutschland Atomraketen habe und deswegen bei einem Atomkrieg wir als erster ausgelöscht werden. Später, so Anfang der 2000der lobten meine Eltern Helmut Schmidt, was ich erst recht nicht verstanden habe.

    Wahrscheinlich hofft Gerhard Schröder insgeheim, auch mal so eine Ikone der SPD zu werden.

  • Frage an Schmidt.

    Ein Zug an der Zigarette.

    Langsames Ausatmen.

    Drei, vier Sekunden Vorsprung für das Gehirn bevor das Maul sich auftut.

    Reichte.

    Die Antwort: Präzise und verständlich.

    Intelligent gelebt.

    Einer unserer bemerkenswertesten Elder Statesman des 20. Jahrhunderts.

    Voller Gnade des Lebens gestorben.

    • @adagiobarber:

      Drei Mal Daumen hoch für Ihren Kommentar !

  • Wer hätte gedacht, dass ich das noch erleben darf: Deutschlands größter Kampfraucher, Maskottchen der Zyniker und Machtpolitiker, hat fertig.

     

    Privat mag er ein lieber Kerl gewesen sein, aber dass er - auch hier im Forum - als politischer Führer verehrt wurde und (jetzt erst recht?) wird, zeigt einfach nur, wie unreif unsere sogenannte aufgeklärte Gesellschaft und Demokratie ist.

    • @Eric Manneschmidt:

      Wie sieht denn die Alternative aus? Für reale Politik braucht es reale Politiker.

       

      Wollen/ können Sie es besser machen? Wollen Sie in den Ring? Wollen Sie sich täglich stellen?

       

      Was für Menschen halten diesen "Politzirkus" mit all dem Medientamtam längere Zeit aus? Sie?

       

      Ich auf jeden Fall nicht. Und allein schon deshalb habe ich vor der Lebensleistung eines Helmut Schmidt großen Respekt, egal ob er alles richtig gemacht hat oder nicht.

       

      Interessant ist doch, das er in den letzten Jahr an Größe gewonnen hat. Vielleicht weil er bis zuletzt einen Diskurs mit der Tagespolitik gesucht hat.

       

      Er hat bis zuletzt - auch Richtung Russland - versucht, kommunikative Brücken zu bauen und ich glaube das uns gerade diese nüchterne Betrachtung der notwendigen Auseinandersetzungen auch mit dem politischen Gegner bitter fehlen wird.

       

      Vielen Dank Helmut Schmidt! Ich werde Sie vermissen.

    • 2G
      2730 (Profil gelöscht)
      @Eric Manneschmidt:

      ...wie gut, dass wir hier jemand haben, der beurteilen kann, was reif und unreif ist.

  • was für eine geschmacklose, pietätlose überschrift! Bäh!

  • Alles Gute, Herr Schmidt!

     

    Ich war mit vielen Ihrer Entscheidungen nicht einverstanden. Aber Sie waren immerhin ein Kanzler, der regierte......

  • Der Titel "Ausgedient, aufgeraucht" - was soll das denn heißen? Wenn man sagt, etwas habe ausgedient, will man ausdrücken, dass es weg muss. Die Taz scheint sich ja fast über den Tod zu freuen oder was?

     

    Ach, ich muss das garnicht weiter analysieren. Ich finde diese gehässige Überschrift einlich und eckelerregend. Ein Mensch ist gestorben. Man muss ihn und seine Politik nicht gutheißen, muss seinem Tod aber respektvoll begegnen.

    • @sceptimo:

      Helmut Schmidt hätte sich über die Überschrift gefreut. Nicht über Lobhudeleien ihne Ecken, Kanten und Kritik. Davon hat jemand wie er genug bekommen, da bin ich sicher.

  • Ein Mensch ist gestorben. Und als Menschen habe ich ihn geschätzt. Er war auch SPD Politiker - zu einer Zeit als man sich dafür noch nicht schämen musste. Leute wie Gabriel oder Oppermann bezeichnen sich als Politiker - sie wissen nicht was sie tun.