Heike Holdinghausen über Phosphor im Abwasser: So wertvoll wie schmutzig
Erinnert sich noch jemand an „Peak Phosphor“? Nein? Vor einigen Jahren war das ein heißes Thema: Das für die moderne Landwirtschaft notwendige Mineral drohte knapp zu werden, die Welternährung schien in Gefahr. Dann wurden ein paar neue Vorkommen entdeckt, der Peak – also das Überschreiten der Höchstfördermenge – war doch nicht mehr in Sicht. Das Thema verschwand aus der Öffentlichkeit.
Es blieb eine dringende Aufgabe für Fachleute, denn das Problem bestand ja weiterhin. Phosphor mag in der Erdkruste ausreichend vorhanden sein; aber seine Vorkommen sind auf wenige, teils politisch instabile Länder beschränkt. Zudem ist es für Bauern in armen Ländern schwierig, die Weltmarktpreise für Düngemittel zu bezahlen. Darum ist ein sorgsamer Umgang mit Phosphor auch eine Frage globaler Gerechtigkeit – ganz abgesehen davon, dass es im Überfluss Böden und Gewässern schadet.
Die Fachleute standen vor einer kniffligen Denksportaufgabe: Die deutschen Phosphorquellen in Form von Abwasser zu nutzen – aber möglichst ohne Nebenwirkungen. Denn die komplexen Stoffgemische, die unsere Industrie- und Konsumgesellschaft durchströmen, sind fast nie unbedenklich. Häufig sind sie verseucht mit Resten von Medikamenten, Flammschutzmitteln, Farbstoffen oder Weichmachern.
Im Fall der Phosphorrückgewinnung galt es also, den inneren Widerspruch aufzulösen, an dem die Kreislaufwirtschaft (unter anderem) krankt: dass unsere Abfälle zwar Rohstoffquelle sind, aber eben auch zum Teil gefährlicher Dreck, den es möglichst rückstandsfrei zu entsorgen gilt. Man kennt das Problem von Müsliverpackungen aus Recyclingpappe mit Resten giftiger Druckfarben oder von Bauschutt, der mit Kohlenwasserstoffen verunreinigt sein kann. Auf die Angst vor einem „Peak Phosphor“ gibt es nun eine vernünftige Antwort, auf den inneren Widerspruch der Kreislaufökonomie noch nicht.
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