piwik no script img

HeidewasserAngst vor der Lüneburger Wüste

Hamburg will die Förderung von Trinkwasser in der Nordheide erhöhen. Viele Anwohner, Landwirte und Naturschützer in der Region haben ökologische Bedenken.

Horrorszenario auch für die Heide: ausgetrocknetes Flussbett. Bild: dpa

Es ist ihnen ernst mit ihrer Ablehnung der Pläne der Hamburger Wasserwerke (HWW). So viel steht fest nach dem zweieinhalbstündigen Info-Abend, zu dem die Interessengemeinschaft Grundwasserschutz Nordheide (IGN) in die Schützenhalle von Hanstedt im Landkreis Harburg geladen hat. Sogar so ernst, dass einige der 140 anwesenden Landwirte, Naturschützer, Kreistagspolitiker und besorgten Bürger das Wort "Kampf" durchaus wörtlich nehmen wollen. "Mit Sachlichkeit allein werden wir nicht den größtmöglichen Erfolg erzielen", sagt einer der Zuhörer. Eine Protestkundgebung vor dem Hamburger Rathaus, "vielleicht ja vor einer Bürgerschaftssitzung", würde doch eine viel größere Wirkung haben.

Gerhard Schierhorn und Karl-Hermann Ott von der IGN mahnen zur Besonnenheit - vorerst. "Wir befinden uns in einem Bewilligungsverfahren", sagt Schierhorn. "Das ist eine Zeit, in der Argumente zählen." Ab einem bestimmten Moment aber komme auch die Zeit des offenen Protests. Schierhorn: "Wir wissen, wann es Zeit wird, die Glocke zu läuten."

Die HWW haben einen Antrag auf jährliche Förderung von 16,6 Millionen Kubikmeter Wasser beim zuständigen Landkreisamt in Winsen/Luhe eingereicht. Bereits seit 1983 fördern sie im Norden der Lüneburger Heide Trinkwasser. 25 Millionen Kubikmeter im Jahr haben sie sich seinerzeit genehmigen lassen, die tatsächlich geförderte Menge liegt aber nur bei etwa 15,7 Millionen Kubikmeter. Diese wasserrechtliche Erlaubnis ist ausgelaufen, für die Verlängerung wurde eine Erhöhung auf 16,6 Millionen Kubikmeter beantragt. Insgesamt fördern die HWW in 18 Wasserwerken in Hamburg und Umgebung jährlich etwa 200 Millionen Kubikmeter Trinkwasser.

Pumpen in der Heide

Die Chronik der Wasserförderung in der Nordheide:

1974: Den HWW wird erlaubt, 30 Jahre lang 25 Millionen Kubikmeter pro Jahr zu fördern

1978: Baubeginn Wasserwerk

1979: Gründung der Interessengemeinschaft Grundwasserschutz

1984: Beginn der Förderung

1986: Zusage des Hamburger Senats, die Pumpmenge auf 15 Mio. Kubikmeter zu begrenzen

2000: Der Harburger Kreistag beschließt, 15 Mio. Kubikmeter als Maximalwert festzuschreiben

2004: Die 30-jährige Bewilligung läuft aus und wird übergangsweise verlängert

2009: Die HWW beantragen Erhöhung der Fördermenge auf 16,6 Mio. Kubikmeter pro Jahr

Naturschützer fordern dagegen eine deutliche Reduzierung der Wasserentnahme in der Nordheide. Sie machen sie für das Trockenfallen von Flüssen, Bächen und Feuchtgebieten verantwortlich. "Die Schäden sind offensichtlich", sagt Ott. "Die Förderung muss umweltverträglich und nachhaltig sein", findet er, "nur der unabweisbare Bedarf darf genehmigt werden."

Die Wasserwerke räumen ein, dass das Grundwasser und damit die Wasserstände von Flüssen oder Bächen teilweise absinken, bestreiten aber Schäden. Das dürfe man "nicht klein reden", müsse es aber "realistisch einschätzen", so ein HWW-Sprecher. "Die Abflüsse sind gering und für das Ökosystem verträglich."

15 Aktenordner umfasst der Antrag der Wasserwerke. Bis Ende dieser Woche liegen die Unterlagen in den betroffenen Gemeinden aus. Die Einwendungsfrist endet im Januar.

Das Publikum nimmt beim Info-Abend kein Blatt vor den Mund: "Wenn wir hier noch 30 Jahre pumpen, dann kriegen wir eine Wüste, das sage ich Ihnen", wettert ein Landwirt. Wenn es nach ihm ginge, dann gäbe es auf keinen Fall einen Vertrag, schon gar nicht über 30 Jahre: "Man könnte ja mal ein Jahr ansetzen, um zu sehen, was sich tut."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!