Heide Oestreich über die Sparkasse, die nicht gendern will: Marlies Krämer vs. Das Patriarchat
Es sind nur ein paar Buchstaben auf einem beliebigen Formular – aber was für ein herrlich grundsätzliches Problem verbirgt sich dahinter! Marlies Krämer will, dass ihre Sparkasse sie als Kontoinhaberin auf ihren Vordrucken verewigt. Mit anderen Worten: gesellschaftliche Veränderung trifft auf traditionelles Bürokratiewesen. Und dann auch noch auf die deutsche Justiz. Amts- und Landgericht weisen die Frau ab, und aus ihren Begründungen rieselt der Staub von Jahrtausenden.
Bereits seit 2.000 Jahren verständige die Gesellschaft sich darauf, dass Frauen mitgemeint seien, wenn die männliche Form genutzt werde, knöttert das Landgericht Saarbrücken in seinem Urteil. Hallo? Seit 2.000 Jahren werden Frauen in unserer Gesellschaft nicht für voll genommen. Erst seit 1958 dürfen sie selbst ein Konto eröffnen. Könnte es da einen Zusammenhang geben zu der Bezeichnung „Kontoinhaber“?
Interessiert es das Gericht, dass es mittlerweile Landesgleichstellungsgesetze gibt, die Behörden und übrigens auch die Sparkassen anweisen, geschlechtergerechte Sprache zu nutzen? Weil erwiesen ist, dass Menschen beim Maskulinum eben an Männer denken und Frauen sich weniger angesprochen fühlen? Nein, das interessiert das Gericht nicht. Es sagt: Man braucht das Gleichstellungsgesetz nicht umzusetzen, weil das Patriarchat sich ja schon seit 2.000 Jahren auf etwas anderes verständigt hat.
Durch die Urteile zieht sich wie ein roter Faden die Leugnung der umfassenden historischen Benachteiligung von Frauen, die sich selbstverständlich auch in der Sprache niedergeschlagen hat. Der wissenschaftliche Name für dieses Leugnen lautet übrigens „moderner Sexismus“.
„Der Staat wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ steht seit 1994 in Artikel 3 des Grundgesetzes zum Thema Gleichberechtigung. Man darf gespannt sein, wie lange sich die Justiz noch weigert, den Artikel hier auch anzuwenden.
inland
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