Heft gegen Stereotype: Koran und Analsex
Das Online-Magazin „renk“ soll Klischees über Deutschtürken widerlegen. Jetzt erscheint auch eine Printausgabe.
Sie legt ihre Hand auf seinen Hintern. Sie, das ist Melisa Karakuş, Gründerin des Magazins renk, er Danny Do, Kreativdirektor. Beide sind auf dem pinkfarbenen Cover der „Ausgabe Bir“ („Ausgabe eins“) zu sehen, die am 18. Oktober erscheint. Die deutschtürkische Grafikdesignstudentin Karakuş hatte genug von negativen Klischees türkischer Mitbürger. „Wo sind die kreativen Türken?“, fragte sich die Wahlberlinerin – und gründete vor drei Jahren die Plattform renk, um „Positivbeispiele zu zeigen“, wie sie sagt.
Renk heißt Farbe und soll das „bunte Deutschland“ zeigen, indem Karakuş, 27, und Do, 31, aufgewachsen sind. Als Bachelor-Projekt entstand so das deutschtürkische Onlinemagazin. Lange blieb sie nicht allein mit ihrer Idee. Inzwischen sind die „Renkis“ zu einer Kernredaktion von vier festen Mitgliedern und zahlreichen „Gastarbeitern“ herangewachsen.
Nun erscheint das Magazin auch im Print. „Renk war schon immer als gedrucktes Heft gedacht, doch das hätte ich mir damals nicht leisten können“, sagt Karakuş. Durch ein erfolgreiches Crowdfunding ist ihnen der Sprung über den Bildschirmrand gelungen.
„Oha-Effekt“
„Bir“ ist 200 Seiten stark, ein bisschen größer als DIN-A5 und made in Kreuzberg. Nicht nur Deutschtürken lassen sich begeistern, wie das Namensverzeichnis der Autorinnen und Fotografinnen verrät. „Was alle Geschichten verbindet, ist der Oha-Effekt“, sagt Karakuş. Oha ist das türkische Aha! und auch der Titel der „Ausgabe Bir“.
Renk gibt sich sexy und politisch: Die in Berlin lebende Fotografin Eylül Aslan zeigt Aufnahmen, die verspielt auf die Periode andeuten, etwas, das in der Türkei oft noch als „schmutzig“ gilt. Karakuş interviewt den Sexualtherapeuten Umut Özdemir, mit dem sie über die Vereinbarkeit von Analsexfantasien und dem Koran spricht und es geht auf fast zwanzig Seiten backstage auf die erste Trans-Fashion-Show Istanbuls.
Gezi-Park und Dönerkunst
Außerdem bezieht man Position: Lange wollten die Macher sich mit renk aus dem politischen Geschehen heraushalten. Das ist mit dem Printheft nicht gelungen: Darwin Stapel spricht mit rothaarigen Türken, die oft wie Ausländer behandelt werden, eine Reportage lässt uns mehr über den Gezi-Park-Aktivisten Gökhan erfahren, und der Fotograf Barbaros Kayan porträtiert gegen Ende des Hefts die lebendige Protestkultur Istanbuls.
Ja, die „Ausgabe Bir“ ist ein bisschen viel pink – und die ersten vierzehn Seiten ein bisschen viel Istanbul und Berlin, die sich aber fast ausgewogen als Orte des Geschehens gegenüberstehen. Dazwischen gibt es einen Kolumnisten-Schlagabtausch, eine türkische Altherrenmotorrad-Gang, einen Besuch in der „türkischen Toskana“ Polonezköy und, ganz wichtig: Döner-Illustrationen. Der Neuköllner Elektroschrott-Künstler Muharrem Batman bekommt genauso seinen Platz wie der international bekannte „Städel“-Schüler Nasan Tur. Selbst die Werbung sieht lustig aus, wie die Anzeige „Der graue Star“, die für einen Kabelverteilerschrank wirbt.
Renk, Ausgabe Bir, erhältlich für 12,50 Euro auf renk-magazin.de
Manches bei renk ist eben anders. Man bemerkt den Hintergrund von Do und Karakuş als Grafikdesignerduo, die viel wert auf Schriftsatz und Bebilderung legen. Designs und Fotografierichtungen werden gemixt, Plätze getauscht: Sie langt ihm an den Po, nicht er; das Inhaltsverzeichnis ist hinten, nicht vorne, und die Schrift wechselt mit jedem Artikel – dennoch hält renk seinen Namen: Es ist sogar rengarenk – kunterbunt. Mit dieser Mischung halten sie ihr buntes Versprechen und stellen sich als Gesellschaftsmagazin auf.
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