Hayali, Ruhs, Merz: Streit im Öffentlich-rechtlichen-Rundfunk
ZDF-Journalist*innen erleben wegen ihrer Aussagen zum Tod von Charlie Kirk Anfeindungen, auch Jimmy Kimmel muss gehen und Julia Ruhs darf bleiben.
taz: Was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Fragt nach Gaza.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Fragt nach Gaza.
taz: Dunja Hayali macht Pause auf Social Media, weil sie dort für vernünftigen Journalismus im Fall Charlie Kirk Morddrohungen bekommt. Wie können vernünftige Menschen sie schützen?
Küppersbusch: Der ZDF-Fernsehrat hat sich einstimmig vor Hayali und ihren Kollegen Thevesen gestellt, was bei der 60-köpfigen bunten Truppe schon eine starke Geste ist – und eine schnelle. Noch ist dort die AfD nicht vertreten, weil sie in keinem Bundesland mitregiert und Tarnorganisationen nicht aufgebaut noch infiltriert hat. Oder sagen wir mal so: Die AfD hat erreicht, das JournalistInnen beschützt werden müssen, wenn sie ihre Arbeit tun.
taz: Der NDR plante, die Moderatorin Julia Ruhs abzusetzen, nachdem 250 Mitarbeitende sich beschwert hatten. Hätte man vielleicht schon vorher handeln können – indem man die Sendung nach journalistischen Kriterien evaluierte?
Küppersbusch: Die mit großer Beachtung pilotierte Sendereihe „Klar“ von NDR und BR geht im kommenden Jahr in Serie. Die bayerischen Ausgaben moderiert Julia Ruhs, die Hamburger Tanit Koch. Damit folgt „Klar“ dem Vorbild von „Report“, das seit Jahrzehnten von BR und SWR mit verschiedenen ModeratorInnen abwechselnd hergestellt wird.“ – Toll, ne? Wäre schön gewesen. Doch wie soll die größte öffentlich-rechtliche Anstalt der Welt auch wissen, wie Kommunikation geht. Stattdessen verübte sie ein perfektes Selbstmordattentat, das Moderatorin Ruhs einmal mehr zur Selbstverstauffenbergung nutzt. Und die kleinste Nichtregierungsorganisation Deutschlands – klingt doch besser als „alle nicht Minister geworden“ – jedenfalls: Linnemann und Spahn eifergeifern los gegen den ÖRR. Bemerkenswert: Niemand führt irgendwelche journalistischen Qualitäten der Kandidatin ins Feld. Maischberger fragt präzise, Miosga formuliert sinnlich, Lanz kann supergut einen ADHSler auf Koks nachmachen. Und Ruhs? Wird morgens beleidigt wach und ab da immer empfindlicher. Sie versprach Themen, die zu wenig vorgekommen seien, und lieferte: Migration, Bauern, Corona. Echt noch nie von gehört. Ich setze das Honorar der taz für diese Kolumne auf die nächsten Themen: Gendersprache, faule Bürgergeld-Empfänger und teuren Öko-Quatsch. Hält wer dagegen?
taz: Der US-Sender ABC knickt vor Pressefeind Trump ein und setzt die „Jimmy Kimmel Live!“-Show aus. Haben wir in Deutschland eigentlich auch eine Show, die Rechtsradikale so massiv stören könnte?
Küppersbusch: Ein paar Sendungen muss Frau Weidel überleben lassen, sonst weiß sie ja nicht mehr, wo sie empört rauslaufen soll. Die Absetzung von Stephen Colbert im Juni, Kimmel jetzt, die Streichung der Zuschüsse zum ÖRR, die absurden Klagen Trumps gegen angesehene Medien, der Ausschluss der Agentur AP von Pressekonferenzen, die Installation eines Musk-Protegées als oberster Medienkontrolleur – die Liste ginge weiter. Und wird weitergehen. Dass Trump halt so Trumpsachen macht, kann nur in Tempo und Schärfe überraschen. Dass Sender, Networks, Verlage, Tycoons rückgratfrei mitmachen – erschüttert. Es war nur ein Geschäftsmodell, sorry, es gibt hier nichts zu sehen. Der liberale Großstadthumor der Late Night Shows ergötzte sich an der Dummheit der anderen, und die haben nun in Trump ihren Rächer gefunden. Trump verdankt ihnen also einiges. Zurück zu Ihrer Frage! Schlecht ist Satire, die ausrechenbar ist.
taz: Bundeskanzler Merz weint bei der Wiedereröffnung einer Synagoge in München. Was hätte sein Opa dazu gesagt?
Küppersbusch: Opas sucht man sich nicht aus. Ich spreche aus Erfahrung. Das sei gesagt, bevor man Merz den Vorwurf machen will, seinen Nazi-Opa verschwiegen, verharmlost, verdrängt zu haben. Die Selbsterzählung der Union, „der Pazifismus der 30er hat Hitler erst möglich gemacht“ ist Selbstbetrug. Heute, wo die Brandmauer bröckelt und die Staatsräson immer heikler wird, wäre es schon gut, an historischer Lehre mehr anzubieten als „die anderen waren schuld“. Ich tu mich schwer, Merz’ Rührung zu beschulnoten, es war ein privater Moment in der Öffentlichkeit. Sehr wohl jedoch ist der Parteichef dazu zu befragen, was die Union für die Gegenwart draus gelernt hat.
taz: Und was macht eigentlich der RWE?
Küppersbusch: Erster Heimsieg, 3:0 gegen Hansa Rostock, und trotz angesagten „Hochrisikospiels“ keine schlimmen Meldungen. Man weiß gar nicht, worüber man sich mehr freuen soll. Fragen: jdo, waam
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