Haushaltsstreit in den USA: Und wieder droht der Shutdown
Die Republikaner wollen den Haushaltsstreit nutzen, um die Gesundheitsreform aufzuschieben. Präsident Obama warnt vor der Zahlungsunfähigkeit.
WASHINGTON taz | Wenn kein Wunder in Washington geschieht, macht die Regierung der Supermacht am Dienstag zu. Schickt Hunderttausende Regierungsbeschäftigte in den unbezahlten und unbefristeten Zwangsurlaub, stoppt die Zahlungen an VeteranInnen und schließt sämtliche Behörden, Dienstleistungen und öffentliche Orte, die sie für „nicht wesentlich“ hält.
Der letzte Vorschlag zu einer „Einigung“, den die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus in der Nacht zu Sonntag an den Senat geschickt hat, ist für die dortige demokratische Mehrheit nicht akzeptabel. Denn dieser Vorschlag sieht einen neuen – und auch nur vorübergehenden – Haushalt vor, der die bereits im Jahr 2010 verabschiedete Gesundheitsreform finanziell aushöhlt.
Hinter der neuen Blockade im Kongress steckt wieder einmal die Tea Party. Sie befindet sich bereits im Vorwahlkampf für die Halbzeitwahlen im Herbst nächsten Jahres und will dabei zahlreiche eigenen KandidatInnen gegen das Establishment ihrer Partei ins Rennen schicken. Zu diesem Zweck hat sie die Forderung nach Verknüpfung von Haushalt und Gesundheitsreform durchgeboxt.
Gegenüber den rechten Rebellen in ihren eigenen Reihen ist die republikanische Führung im Repräsentantenhaus und im Senat machtlos. Unter den vielen rechten Rebellen ragt ein Senator aus Texas hervor: Ted Cruz hat in der vergangenen Woche 21 Stunden lang nonstop im Senat geredet, um seine Opposition gegen die Gesundheitsreform zu begründen. Der Haushalt der USA für das neue Geschäftsjahr spielte bei seinem Redemarathon nur eine untergeordnete Rolle.
Verhandlungsunfähige Republikaner
Präsident Barack Obama, für den die Gesundheitsreform das zentrale Politikstück seiner ersten Amtszeit war, wirft den RepublikanerInnen vor, „rein ideologische Gründe“ für die Verknüpfung zwischen Haushalt und Gesundheitsreform zu haben, und bezeichnet den drohenden „Shut-down“ der US-Regierung als eine „selbst gemachte Wunde“.
In der vorausgegangenen Haushaltsblockade versuchte Obama noch mit dem Sprecher der RepublikanerInnen im Repräsentantenhaus, John Boehner, zu verhandeln. Doch dieses Mal schätzt die Demokratische Spitze die Lage in der Republikanischen Partei so ein, dass sich neue Verhandlung nicht lohnen. „Die Republikaner können nicht einmal miteinander verhandeln“, sagt etwa die demokratische Abgeordnete und Obama-Vertraute Nancy Pelosi.
Das „Erschwingliche Gesundheitspflege“ (ACA – Affordable Care Act) genannte Gesetz wird den meisten der 48 Millionen Nichtversicherten in den USA Zugang zu einer Krankenversicherung verschaffen. Seit seiner Verabschiedung im März 2010 ist es schrittweise in Kraft getreten. Am Dienstag, wenn in den USA das neue Geschäftsjahr beginnt, tritt zufällig auch eine neue Stufe der ACA-Reform in Kraft.
Dann soll eine von der Regierung aufgestellte und von den Privatversicherungen //www.healthcare.gov/:unabhängige Webseite erstmals einen nationalen Überblick und Preisvergleich über die Angebote der Krankenkassen schaffen. Nach Angaben des Weißen Hauses können 60 Prozent der bislang Nichtversicherten mithilfe der neuen Webseite ihre künftige Versicherung „kaufen“. Der Abschluss einer Krankenversicherung werde, versichert Präsident Obama, „so einfach wie das Buchen eines Fluges“.
In der letzten Vorbereitungsphase für die Eröffnung des elektronischen „Marktplatzes“ gibt es allerdings eine Reihe von politischen und technischen Pannen. In den republikanisch regierten Bundesstaaten tun die Behörden alles, um die Aufklärung über die neuen Möglichkeiten der Gesundheitsreform zu verhindern. Sämtliche BeraterInnen in diesen Bundesstaaten sind von Washington entsandt und bezahlt. Gleichzeitig sind einige Funktionen der Webseite, unter anderem ihre spanischsprachige Version, noch nicht fertig.
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