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Haushaltskrise der BundesregierungWie teuer ist das Sparen?

Die Antwort hängt auch vom „Fiskalmultiplikator“ ab. Der gibt an, wie stark die Wirtschaftsleistung schrumpft, wenn der Staat weniger ausgibt.

Treiben die Konjunktur an: Münch­ne­r:in­nen bei ihren Weihnachtseinkäufen Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

Wo soll die Bundesregierung die Milliarden hernehmen, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse nun fehlen? Auch Ausgabenkürzungen sind im Gespräch. Doch ob das so sinnvoll ist, bezweifeln Ökonom*innen. Einer von ihnen ist Sebastian Dullien. „Wir sind am Rande einer Rezession. In dieser Situation den Rotstift anzusetzen, wäre volkswirtschaftlich schädlich“, sagt der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der taz. „Denn der Fiskalmultiplikator ist in konjunkturellen Schwächephasen größer als im Aufschwung.“

„Fiskalmultiplikator“ – so technisch sich dieser Begriff anhört, so groß ist seine Bedeutung. Er gibt an, wie stark die Wirtschaftsleistung schrumpft, wenn der Staat spart. „Erhöht der Staat die Steuern oder investiert weniger, dann fehlt den Menschen im Land Geld, das sie ausgeben und so die Konjunktur stützen können“, sagt Dullien. Dabei sind die Auswirkungen des Sparens nicht immer und überall gleich. Hat der Fiskalmultiplikator beispielsweise einen Wert von 1, dann geht die Wirtschaftsleistung für jeden Euro, den der Staat spart, um einen Euro zurück. Ist der Wert höher, dann sind die Auswirkungen größer.

Schon einmal im Zentrum hitziger Debatten war der Begriff vor einem Jahrzehnt. Damals ging es um die Auswirkungen der Sparmaßnahmen in Griechenland während der Eurokrise. Noch im Frühjahr 2012 schätzte der Internationale Währungsfonds als Teil der Gläubiger-Troika des Landes den Fiskalmultiplikator auf 0,5. Doch ein knappes halbes Jahr später musste er zugeben, dass der Multiplikator zwischen 0,9 und 1,7 Prozent lag. Der Schaden der Sparpolitik war also deutlich höher als zunächst angenommen.

„In Deutschland haben wir vermutlich zurzeit einen Multiplikator von 1“, schätzt Dullien. Bei einer Wirtschaftsleistung von knapp vier Billionen Euro hätten Einsparungen von 40 Milliarden Euro also zur Folge, dass das Bruttoinlandsprodukt um ein Prozent sinken würde. Besonders negativ würden sich laut Dullien Einsparungen bei Investitionen auswirken. In diesem Bereich ist der Multiplikator besonders hoch. Wenn der Staat statt zu sparen die Steuern erhöht, wären die Auswirkungen hingegen etwas geringer, weil bei Steuererhöhung der Multiplikator meist niedriger ist als bei Ausgabenkürzungen.

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Die Höhe des Multiplikators ist zudem mitentscheidend dafür, ob Po­li­ti­ke­r*in­nen mit ihren Sparmaßnahmen ihr eigenes Ziel – die Reduzierung von Schulden – konterkarieren. Denn der staatliche Schuldenberg wird als Schuldenquote im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gemessen. Ist der Multiplikator größer als 1, schrumpft die Wirtschaft schneller als die Staatsschulden. Die Folge: Trotz Sparens steigt die Schuldenquote.

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7 Kommentare

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  • die andere Seite der Medaille ist, dass die Unternehem ebenfalls zu Nettosparern geworden sind, (die Bevölkerung war es schon seit jeher).



    D.h. der Staat ist der einzige Akteur der in der gesamtwirtschaftlichen Konstellation noch investiert, ja geradezu muß, denn wenn keiner investiert (Schulden macht) dann gibt es auch kein Wachstum. Dieser simple Zusammenhang wurde durch den Export überdeckt, das funktioniert aber nicht auf ewig.



    Dass Unternehmen Nettosparer sind, war nicht immer so, eigentlich ist das ein höchst unnormaler Zustand. Dank des neoliberalen Umbaus der Wirtschaft und damit einhergehenden Steuererleichterungen und Steuervermeidungsstrategien ist es für Unternehmen riskanter in Realwirtschaft zu investieren, als das vorhandene Geld zu sparen (z.B. an Anteilseigner auszuschütten) und die vorhanden Produktionskapazitäten einfach laufen zu lassen. Die Aufblähung des Finanzmarkts (mit allen Nebeneffekten) ist auch eine direkte Folge davon.



    Bei höheren Steuern, die nur durch Abschreibungen von Investitionen zu drücken wären, bestünde ein immanenter Zwang real zu investieren. Nur in einer solchen Konstellation kann der Staat darüber nachdenken zu sparen. Denn wenn alle sparen geht die Rechnung nicht auf.



    Das was das Wachstum der letzten Jahre gebracht hat war das Ausland. Das Export nicht ewig funktioniert und am wenigsten zu steuern ist, dürfte klar sein.

    • @nutzer:

      Deutsche Unternehmen investieren lieber im Ausland, das Ausland investiert nicht mehr in Deutschland.

      An diesem Zustand ist wohl kaum die Wirtschaft schuld, sondern eher der Taktgeber aus Berlin....der alles aus dem Takt kommen lässt. Schlüsselindustrien zerfallen, Arbeitskräftemangel (also echten Arbeitskräften, nicht den Ü-Eiern die man millionenfach wie sauer Bier anzupreisen versucht), Bürokratiewahnsinn, Energiepreise, Transformationsphantasien.....mal ernsthaft: wer will denn da noch sein Geld investieren ? Es gibt genug andere Länder die bessere Ausgangslagen bieten.

  • Danke für den Artikel. Ist möglicherweise an der Zeit, sich vom Schuldgeldblödsinn komplett zu verabschieden. Es gibt ja Alternativen (siehe z.B.: Positive Money/ Moneytransformation, Vollgeld etc. ... ).

    Wie wäre es mal zur Abwechslung (und zur Erweiterung des Staatszielhorizonts) mit einem Bruttosozialglückmultiplikator?

    Müssen nur wollen... . :-()

  • Das Problem ist aber, dass die Ausgaben schuldenfinanziert sind, d.h., in den Folgeperioden, muss das Geld zum einen zurück gezahlt werden, zum anderen stehen Zinszahlungen an. Um also eine gegebene Höhe an Investitionen und Transferleistungen zu finanzieren, wird immer mehr Geld notwendig sein. Reichen die Einnahmen nicht aus, müssen weitere Schulden gemacht oder Steuern erhöht werden. Das geht dann immer so weiter. Wenn dann noch die Ratingagenturen Deutschland Herabstufung, wird es ganz übel

    • @Golzi:

      Das Problem sind nicht Schulden generell oder die Zinszahlungen, solange das Land eine leistungsfähige Wirtschaft hat. Dank Rot-Grün ist die gerade dabei sich zu verabschieden und mit einer schuldenfinanzierten "sozialökologischen Transformation" der Wirtschaft schlagen wir endgültig den Sargnagel ein. Dann können die Rating-Agenturen uns direkt auf B einstufen und das Licht ausmachen.

  • ...Arbeit muss sich wieder lohnen...das Mindeste was unsere " Volksvertreter " aus unserer Regierung für unsere Wirtschaft tun sollten, wäre einen Tag die Woche 8 Stunden, in einem regulären Unternehmen, für maximal



    18 Euro Stundenlohn - aktiv am Arbeitsleben teilzunehmen, zusätzlich sollten 2 unbezahlte Überstunden pro Arbeitstag geleistet werden, welche dann in Freizeit irgendwann abgegolten werden können, wenn es die Situation des Unternehmens zulässt...

  • Man braucht kein Wirtschaftswissenschaftler zu sein um zu erkennen dass 2x2 vier ist.

    Genausowenig braucht man WiWi zu sein um zu erkennen dass die Regierung nicht spart, sondern durch Investitionsverhinderung die Infrastruktur vor die Wand fährt.



    Welche Auswirkungen das hat kann man in den Geschichtsbüchern der DDR nachlesen.

    Wir haben jetzt schon einen unfassbaren Investitionsstau - und der wird durch die Austeritätspolitik der aktuellen Regierung größer und größer.

    Marode Brücken, veraltete Stomtrassen, baufällige Schulgebäude (im Gegensatz zu den Bürokomplexen der Regierenden).



    Das Schienennetz ist kleiner als vor hundert Jahren.



    Kita-Plätze sind Mangelware.



    High-Tech Unternehmen überall nur nicht in Deutschland.

    Schöne neue Welt.