Haushaltsdebatte im Bundestag: „Das Einzige, was bei Ihrem Haushalt rollt, sind die Panzer“
Heidi Reichinnek sieht Herbst der Grausamkeiten. Merz will an Menschen und Klima sparen. Das Rededuell zwischen Merz, Weidel und Co. sehen Sie hier im Livestream.

Inhaltsverzeichnis
- Heidi Reichinnek (Linke) bezeichnet geplante Sozialreformen als grausam
- SPD-Fraktionschef Miersch fordert höhere Beteiligung großer Vermögen
- Dröge: „Nichts ist teurer in dieser Koalition als die CSU“
- Merz will an Energiewende sparen
- Merz: Wir müssen das Rentensystem neu aufstellen
- Merz kündigt tiefgreifende Reformen an
- Weidel kassiert nach Eröffnung Schelte
- Generaldebatte und Generalabrechnung
Heidi Reichinnek (Linke) bezeichnet geplante Sozialreformen als grausam
Die Linke hat in der Generaldebatte des Bundestages der Bundesregierung eine falsche Prioritätensetzung bei den Staatsausgaben vorgeworfen. „Egal wo, es ist nie Geld da, wir müssen ja aufrüsten“, kritisierte Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek. „Das Einzige, was bei Ihrem Haushalt rollt, das sind die Panzer.“
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Bundestagsdebatte über Haushalt 2025

Livestream zur Bundestagsdebatte
Sie griff die Koalition für ihre Reformpläne bei den Sozialsystemen zum Beispiel beim Bürgergeld an. „Was bei Ihnen ansteht, ist nichts anderes als ein Herbst der sozialen Grausamkeiten. Das werden wir nicht hinnehmen.“ Was die Koalition als Gerechtigkeit verkaufen wolle, sei nichts anderes als Armenhass. Die Linksfraktionschefin forderte, Reiche stärker bei der Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen. (dpa)
SPD-Fraktionschef Miersch fordert höhere Beteiligung großer Vermögen
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hat in der Debatte über die Finanzierung des Sozialstaats eine stärkere Beteiligung großer Vermögen verlangt. „Die großen, breiten Schultern, die großen, großen Vermögen müssen sich stärker beteiligen in diesem Land“, sagte Miersch am Mittwoch in der Haushaltsdebatte im Bundestag. „Auch das gehört zur Gerechtigkeit mit dazu.“
Er verwies zudem auf eine anstehende Entscheidung des Verfassungsgerichts, die eine Auseinandersetzung mit der Erbschaftsteuer ohnehin nötig machen könnte. Zuletzt hatte auch Unions-Fraktionschef Jens Spahn die ungleiche Verteilung von Vermögen in Deutschland als Problem bezeichnet. „Wer schon hatte, hat immer mehr“, hatte er gesagt.
Miersch bekannte sich zugleich zu Änderungen im Sozialstaat: „Ich sage ganz deutlich: Wir stehen zu den Reformen. Wir brauchen Reformen.“ Dies sei nötig, da das System nicht immer bei den Bürgern ankomme. „Das sieht man schon daran, dass wir beispielsweise Milliarden in ein Gesundheitssystem stecken. Und viele Bürgerinnen und Bürger merken, dass es zum Beispiel bei der Terminvereinbarung zum Facharzt nicht richtig funktioniert.“ Ziel sei „ein Sozialstaat, der effizient und zielgenau ist“.
Dröge: „Nichts ist teurer in dieser Koalition als die CSU“
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisiert die schwarz-rote Bundesregierung heftig für ihre Politik. „Sie vergessen immer und immer wieder den deutschen Mittelstand“, warf sie Kanzler Friedrich Merz (CDU) in der Generaldebatte über den Kanzleretat im Bundestag vor. Die Stromsteuer müsse wie versprochen für alle sinken.
Darüber hinaus habe Merz durch Druck auf die EU-Kommission einen unvorteilhaften Handelsdeal mit US-Präsident Donald Trump mitzuverantworten. „Das ist einfach schlecht.“ Die CDU klammere sich an Technologien von gestern wie den Verbrennungsmotor. „v und zwar Ihnen allen in der CDU.“
Das Geld aus dem milliardenschweren Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz nutze die Bundesregierung nicht sinnvoll, beklagte Dröge. „Sie hätten mit diesem gigantischen Sondervermögen jetzt die Chance gehabt, einen Moment des Aufbruchs zu schaffen“, warf sie der Regierung vor. „Doch stattdessen schaffen Sie einen Moment der Enttäuschung.“ Die Regierung stopfe mit den Mitteln Haushaltslöcher.
„Sie haben ja nicht zu wenig Geld, Sie geben es nur den Falschen“, sagte Dröge. „Nichts ist teurer in dieser Koalition als die CSU.“ Es flössen Milliarden für die Wahlversprechen von CSU-Chef Markus Söder. Ob es sich dabei um eine „Stillhalteprämie“ für Söder halte, wollte Dröge wissen.
Auch die Linkspartei griff Dröge an: „Es ist nicht links, der Ukraine die Unterstützung zu verweigern. Es ist nicht links, dem Opfer nicht die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen gegen den Aggressor.“ (dpa)
Merz will an Energiewende sparen
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will bei der Umsetzung der Energiewende stärker auf die Kosten schauen. „Wir brauchen eine realistische Energiepolitik, die uns als Volkswirtschaft nicht überfordert“, sagte Merz am Mittwoch in der Haushaltsdebatte im Bundestag. Ausdrücklich dankte Merz in diesem Zusammenhang Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), die eine Neuausrichtung der Energiepolitik angekündigt hat.
„Die notwendige Klimapolitik entsteht nicht durch Anordnung, sondern nur über die richtigen Anreize in einem marktwirtschaftlichen System“, betonte der Kanzler.
Reiche hatte am Montag angekündigt, sie wolle staatliche Subventionen für den Ausbau erneuerbarer Energien senken. Auf der anderen Seite will Reiche zur Erreichung der Klimaziele unter anderem den Einsatz der CCS-Technologie zur Abscheidung und Einlagerung von CO2 auch in Gaskraftwerken ermöglichen. Die Ministerin bekräftigte aber das Ziel, wonach bis 2030 insgesamt 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen soll. (afp)
Merz: Wir müssen das Rentensystem neu aufstellen
„Wir müssen auch unser Rentensystem neu aufstellen“, sagte Merz am Mittwoch in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Er begründete dies mit dem demografischen Wandel, junge Menschen dürften nicht zusätzlich belastet werden.
Daher müsse bei der Rente „der Generationenvertrag neu gedacht werden“, sagte der Kanzler. Weiterhin müsse jedoch „die ältere Generation für ihre Arbeit, die sie geleistet hat, ihren wohlverdienten Ruhestand in wirtschaftlicher Sicherheit genießen können“.
Umfassende Sozialreformen sollen einen „Konsens der Gerechtigkeit“ beinhalten. Dafür sei der „Herbst der Reformen“ eingeleitet. „Der Herbst der Reformen wird auch nicht die letzte Jahreszeit sein, in der wir das Land zum Besseren verändern. Es wird sich ein Winter, ein Frühling und ein weiterer Herbst der Reformen anschließen“, fügte er hinzu.
Konkrete Maßnahmen nannte Merz dafür allerdings nicht. Er verwies lediglich auf die bereits auf den Weg gebrachten Neuregelungen, insbesondere die Aktivrente, die freiwilliges längeres Arbeiten attraktiver machen soll, sowie die Frühstartrente, die jungen Menschen den Aufbau einer kapitalgedeckten Zusatzvorsorge im Alter erleichtern soll.
Merz stellte die von ihm geforderten Reformen bei der Rente in den Zusammenhang eines nach seinen Worten erforderlichen Umbaus des Sozialsystems insgesamt. „Es geht darum, dass wir die Lasten so verteilen, dass unser Sozialstaat auch künftig funktioniert“, sagte er im Bundestag. (afp/rtr)
Merz kündigt tiefgreifende Reformen an
Friedrich Merz kündigt in seiner Rede tiefgreifende Reformen an. „Die Entscheidungen, die vor uns liegen, gehen nicht um Details, sondern sie gehen um sehr Grundsätzliches“, sagte der CDU-Chef in der Generaldebatte über den Kanzleretat im Bundestag. „Es geht um nicht mehr und um nicht weniger als um die Zukunft unseres Landes – wie wir leben, wie wir zusammenleben, wie wir arbeiten, wie wir wirtschaften, und ob unsere Werte weiterhin Bestand haben“, fügte er hinzu.
Die Freiheit sei bedroht, die Bürger spürten eine wachsende Unsicherheit, das deutsche Wirtschaftsmodell sei durch „einen neuen Protektionismus, der sich gegen Freihandel und offene Märkte richtet“ unter Druck, warnte Merz. Zudem werde der Zusammenhalt durch politische Kräfte im In- und Ausland in Frage gestellt, die die Demokratie verächtlich machten, Zwietracht säten und die Gesellschaft und auch die Regierung auseinanderdividieren wollten. (dpa/taz)
Weidel kassiert nach Eröffnung Schelte
Mit scharfen Angriffen gegen die Politik von Bundeskanzler Friedrich Merz hat Oppositionsführerin Alice Weidel die Generaldebatte im Bundestag eröffnet. Die AfD-Partei- und Fraktionschefin warf dem CDU-Politiker einen linken Kurs und Sprachlosigkeit vor, angesichts des Todes des rechten US-Aktivisten Charlie Kirk oder Brandanschlägen auf die Bahn.
Die Migrationspolitik der schwarz-roten Bundesregierung kritisierte Weidel und sprach von „Alibimaßnahmen und Symbolpolitik“. Sie erneuerte AfD-Forderungen nach weiteren Verschärfungen an den Grenzen, beim Familiennachzug, nach einer Rückkehr zur Kernkraft oder für Ausgabenstreichungen beim Klimaschutz.
Weidel warf Merz zudem „Kriegstreiberei“ vor. „Sie sabotieren die Bestrebungen des US-Präsidenten Donald Trump, den Ukraine-Krieg schnell zu beenden.“ Der Bundeshaushalt der Koalition sei „ein zusammengeschusterter, verantwortungsloser Haushalt ohne Maß und Ziel, der kein einziges Problem löst, aber die Krise weiter auf die Spitze treibt“.

Im Anschluss der Rede drohte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner mit einem Ordnungsruf: „Die Frau Abgeordnete Dr. Weidel hat eine Abgeordnete in Zusammenhang mit Gewalttätern gebracht. Ich behalte mir einen Ordnungsruf vor, wenn ich das Protokoll besichtigt habe.“ Applaus gab es auf ihre Reaktion auf einen weiteren Zwischenruf aus Reihen der AfD: „Wenn Sie die Sitzungsleitung kommentieren möchten, kann ich auch das mit einem Ordnungsruf belegen.“ Der Linksfraktion drohte sie ebenfalls Maßregelung an: Ein Zwischenruf mit „Nazis wie Sie […]„ sei eine persönliche Herabwürdigung. Als zweiter Redner wird Bundeskanzler Merz auf Weidel antworten. (dpa/taz)
Generaldebatte und Generalabrechnung
Die Debatte über den Haushalt des Bundeskanzleramts bei den Haushaltsberatungen nutzt die Opposition traditionell zur Generalabrechnung mit der Politik der Bundesregierung.
Die Beratungen des Bundestags über den Haushalt 2025 haben am Mittwoch ab 9 Uhr mit der Generaldebatte über den Kanzleretat ihren Höhepunkt erreicht. Es wurde erwartet, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in seiner etwa 30-minütigen Rede auch zu den anstehenden Reformprojekten und zur Außenpolitik Stellung nimmt. Eröffnet wird die Debatte traditionell von der größten Oppositionsfraktion: Für die AfD wird zuerst Fraktionschefin Alice Weidel reden.
Merz gegen Weidel waren bereits im Juli in der ersten Generaldebatte des Bundestags seit der Vereidigung der schwarz-roten Regierung aufeinandergetroffen. Dabei hatte Weidel zum rassistischen Rundumschlag ausgeholt und sich mit Merz eine heftige Auseinandersetzung geliefert. Weidel bezeichnete den CDU-Chef als „Lügenkanzler“, Merz wies das das als „üble Nachrede“ zurück. Für ihre Zwischenrufe handelte sich Weidel Ermahnungen der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) ein.
Heute sind für die Debatte dreieinhalb Stunden vorgesehen, danach werden die Etats für Auswärtiges, Verteidigung, Entwicklung, Forschung, Arbeit und Gesundheit beraten. Bis 21.30 Uhr soll die Sitzung des Bundestags gehen. Am Ende werden sich die Reihen aber deutlich lichten. (dpa/taz)
Umfrage sieht AfD knapp vor der Union
Die AfD überholt die Union zum ersten Mal in einer Umfrage des Instituts YouGov. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würden 27 Prozent der Befragten die AfD wählen – damit legt die Partei zwei Prozentpunkte im Vergleich zur Augustumfrage zu. CDU/CSU verlieren einen Punkt und kommen auf 26 Prozent. In Umfragen weiterer Umfrageinstitute lag die AfD zuletzt gleichauf oder dicht hinter der Union.
Auf dem dritten Platz liegt mit 15 Prozent der Koalitionspartner SPD (+1). Die Grünen verlieren einen Prozentpunkt und fallen auf 11 Prozent. Für die Linke würden aktuell 9 Prozent der Befragten ihr Kreuz machen (-1). Das BSW würde es mit 5 Prozent in den Bundestag schaffen (Wert unverändert), die FDP würde mit 4 Prozent (+1) weiter nicht einziehen. Sonstige Parteien würden 4 Prozent der Umfrageteilnehmer und -teilnehmerinnen ihre Stimme geben. (dpa/taz)
[Anm. der Redaktion: Dieser Text wird im Laufe des Tages mehrfach aktualisiert. Die Debatte wird auch im Livestream übertragen. ]
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