: Hauptsache, geschlossen
PARTEITAG Die CDU ist zwar in aktuellen Umfragen auf 19 Prozent abgerutscht, wählt ihren Landeschef Frank Henkel aber dennoch erneut einstimmig zum Spitzenkandidaten. „Glück auf“ kann seine Bundesvorsitzende Angela Merkel da nur noch wünschen
von Stefan Alberti
Die CDU hat es irgendwie mit Bildern und Vergleichen in diesen Tagen, da sie ihren Landesvorsitzenden einstimmig erneut zum Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl macht. Bei der Vorstellung des Wahlkampflogos „starkes Berlin“ gibt es entsprechend starken Kaffee, und ihren Parteitag hält sie nun in einem früheren Umspannwerk in Mitte ab. Weil man ja Hebel umlegen, die Spannung steigen lassen will. Und wegen der Nähe zum Roten Rathaus, wo der nun auch offiziell gekürte Noch-Innensenator Frank Henkel ab Herbst regieren will.
Diesen Anspruch beklatschen beim Parteitag jedenfalls rund 280 Delegierte heftig. Und das überrascht ein bisschen. Denn es ist nicht so, als hätte es in den zurückliegenden Monaten keine Kritik an Henkel gegeben, ganz abgesehen davon, dass seine Partei in Umfragen auf müde 19 Prozent abgerutscht ist. Für manche tut er zu wenig, für andere das falsche. Da ist es spannend zu schauen, wie Delegierte abstimmen, die so denken. Der Kreuzberger Kreisvorsitzende Kurt Wansner etwa, für den die Räumung des Oranienplatzes viel zu spät kam. In einer CDU-Fraktionssitzung Ende vergangenen Jahres hatten er und ein anderer Abgeordneter nach Teilnehmerangaben offen bezweifelt, dass Henkel der richtige Spitzenkandidat ist.
Weil das Umspannwerk eine Galerie hat, lässt sich von dort oben gut beobachten, wie unten Wansner und Kollegen Henkels rund 50-minütige Rede verfolgen. Und während die Kollegen wiederholt klatschen, tut sich bei dem Kreuzberger erst einmal wenig. Wansners Hände bleiben lange ruhig, beschäftigen sich höchstens mal mit einem Smartphone. Zu drei müden Klatschern schier im Zeitlupentempo finden sie sich erst zusammen, als Henkel sich über innere Sicherheit und die Polizei spricht. Doch am Ende wird Wansner wie alle anderen abstimmenden Delegierten für Henkel votieren, es gibt weder Gegenstimmen noch Enthaltungen.
Das mag auch etwas damit zu tun haben, dass das Votum öffentlich ist und die Vertraulichkeit der Wahlkabine fehlt. Wenn schon in den Meinungsumfragen tief gesunken, will die CDU zumindest erfüllen, was ihr Generalsekretär Kai Wegner eingangs sagt: Man sei „entschlossen und geschlossen wie keine andere Partei in Berlin“.
Als Gegenbeispiel gelten hier die Grünen, die ihre Spitzenkandidaten Ramona Pop vor vier Wochen bloß mit 60 Prozent Zustimmung in den Wahlkampf schickten.
Auf dieser Galerie ist auch Gelegenheit für Feindbeobachtung. Die Grünen schickten jüngst ihre Pressesprecherin vorbei, als die CDU in einer Pressekonferenz ihr „Starkes Berlin“-Logo vorstellte. Von der SPD ist nun beim Parteitag sogar der Landesgeschäftsführer da, Dennis Buchner. Der hört von Henkel eine klare Botschaft mit der Kernaussage: Die rot-schwarze Koalition arbeite gut und solle doch so weitermachen, wenn auch am besten unter christdemokratischer Führung.
Wobei die CDU auch keine Alternative hat, wenn sie weiterregieren will. Von den Grünen wird es an diesem Wochenende noch distanzierende Worte geben, die Linkspartei kommt nicht infrage, und selbst wenn die FDP ins Parlament kommt, helfen der CDU ihre paar Prozent nicht weiter.
Lob der Großen Koalition
So bleiben nur die Sozialdemokraten. Es gibt zwar einige kritische Worte – etwa dass es mit der SPD „nicht immer einfach“ gewesen sei. Oder Richtung Regierungschef Michael Müller und dessen Kritik am CDU-Chef – zumindest die Spitzenleute sollten doch so nicht miteinander umgehen, meint Henkel. Und Turnhallen für Flüchtlinge zu nutzen nennt er einen „Irrweg der SPD“ – was Feindbeobachter Buchner ein „Unfassbar!“ ausstoßen lässt. Aber die zentrale Botschaft bleibt, die Koalition solle die gemeinsamen Erfolge in den Vordergrund stellen. Der neue und alte Spitzenkandidat will dabei ausdrücklich nicht antreten, um bei der Abgeordnetenhauswahl Zweiter zu werden. Das könnte sogar gelingen: Die Grünen liegen in der jüngsten Umfrage ja nur einen Prozentpunkt hinter seiner CDU.
„Idealer Spitzenkandidat“
Henkel hat bei seiner Kür nicht nur die Unterstützung der über 280 Delegierten. Schon draußen vor dem Umspannwerk wirbt von zwei Großplakaten neben ihm seine Bundesvorsitzende und Kanzlerin für ein starkes Berlin. Im Saal selbst hat Angela Merkel nicht wie auf dem Plakat ein rotes, sondern ein bräunliches Jackett an, steht aber in gleicher Weise zu Henkel: Der sei als Spitzenkandidat „ideal“.
Dieser Schulterschluss ist interessant. Denn im Abgeordnetenhaus vertrat der CDU-Landeschef zwischenzeitlich in Sachen Flüchtlinge eine Linie, die aus Sicht der politischen Konkurrenz im Gegensatz zur Merkel’schen Haltung stand, sich nicht abzuschotten.
Beim Parteitag ist nun alles vergessen oder nie so gewesen. Mithelfen will Merkel, weil Berlin die CDU dringend brauche. „Also, klotzen wir ran“, sagt sie, und es passt so schön zu Henkels Werbekurs Richtung SPD, dass sie in sozialdemokratischer Manier mit „Glück auf“ verabschiedet.
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