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Hassfrucht ClementineDas orange Vitaminenfeld

Jedes Jahr zum Advent ist die Vorfreude auf Clementinen groß. Doch dann: Zu weich, ja labbrig, wässrig, voller Kerne – ein Obst direkt aus der Hölle.

Lässig die Form wahrend: Mandarinenvorrat nach Großeinkauf Foto: syvox

T eam Obstipation oder Team Fruchtdurchfall? Jetzt gilt’s. Auch die pflanzenscheusten Baumtomaten unter uns kommen dieser Tage um sie nicht herum: die Clementine.

In jeder Gesundschüssel liegen die orangen Bälle nun zu Dutzenden auf der Lauer, lässig die Form wahrend. Am günstigsten sind sie nämlich im roten Zehnkilonetz zu erwerben – ein jedes Jahr aufs Neue begangener Fehler, so wie im Frühling zur Schneeschmelze in gefrorene Hundehaufen zu treten. Denn nach den ersten drei vom hinterhältigen Lustzentrum so ersehnten Früchten warten dann ja immer noch neunkommasechseinhalb Kilo auf den Verzehr und warten und warten. Und schimmeln und schimmeln. Und verwesen und locken die Raubvögel an.

Auch wenn es nicht so weit kommen muss (wüste Beleidigungen halten die Scheißviecher in der Regel fern), stürzt die Clementine jeden noch so bedachten Menschen in ein Vitaminenfeld ohne Aussicht auf Rettung: Auf ihre besten Exemplare will man um keinen Keks der Welt verzichten, wird aber in der Praxis meist mit ihren schlechtesten abgespeist.

Erwartet die Lebefrau und der Lebemann eine pralle, klar definierte Komposition, möglichst ohne Fisselkram, die die Mundhöhle mit Frische und Säure von den Freuden auch des Winters überzeugt wie ein gutes Taufwasser den noch gesäugten Gläubigen von der Strenge der Kirche, so scheitern sie, die Genusssuchenden, in Wirklichkeit schon beim ersten Stück Schale, das nicht abzumachen geht, ohne dass man sich sauereimäßig Hose und Hand einsaftet. Überhaupt liegt ein seltsamer Klebefilm aus Teig, Saft und Soße über dieser ach so besinnlichen Zeit. Die Bibel ist nichts dagegen.

taz am wochenende

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Sind die geübten Hände endlich ins Innere der Lustkugel vorgedrungen und ist trotz Saftverlust noch etwas zu verzehren übrig, so versperrt ein neuerliches Hindernis die Befriedigung: erwähnter Fisselkram nämlich, in weißen Fäden an der Stückhaut hängend, seinerseits erneute Schälarbeit fordernd.

Und so vergehen die Minuten: Minuten der kostbar verrinnenden Lebenszeit, die nicht zu wiederholen sind. Das Kind sagt sein erstes Wort, der Eintopf wird kalt, die Oma dement. Die Clementine aber verlangt nach ungeteilter Aufmerksamkeit. Sie duldet keine Nebenbuhler.

Der Geschmack schließlich, die Konsistenz: auch meist enttäuschend. Zu weich, ja labbrig, wässrig, voller Kerne. Worauf haben wir uns da mal wieder eingelassen?

Na ja, vielleicht ist die nächste ja besser. Ganz bestimmt sogar.

Hmmm, Clementinen.

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Adrian Schulz
Freier Autor
Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.
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7 Kommentare

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  • Seit ich meinen Kompost-Haufen solcherlei konsumistischen Abfall vorenthalte, gedeihen wieder Mäuse, Fliegen, Würmer, Schnecken, Füchse und deralei aufs Vortrefflichste. Die Anderen haben die vormalig eingeschleusten Biozide und Kunststoffe längst dahin-gerafft.



    Leider kann ich die Distanz Automobil-Abgase zu Kompost-Haufen nicht vergrößern.

  • Der junge Mann kennt die "Kuba-Orangen" nicht, die allweihnachtlich dem DDR-Volk zugemutet wurden. Jammern auf hohem Niveau...

  • Ich mag die Dinger und zwischen November und Weihnachten sind sie auch gut.

  • Ich würde dem geplagten Clementinen-Hasser gern diese Seite empfehlen:

    www.crowdfarming.c...nmarkt/overharvest

    Dort kann man sich direkt von den Herstellern ausgezeichnete Produkte liefern lassen. Die meisten sind sogar Bio. Fünf Kilo Bio-Clementinen kosten knapp 20,- Euro. Das weiße Zeug ist allerdings auch drin. Aber der Geschmack ist Bombe.

    Darf man hier überhaupt so etwas posten? Man wird sehen.

    • @Jim Hawkins:

      Ja, sind wirklich lecker.

    • @Jim Hawkins:

      Einzige Antwort:



      Man MUSS es sogar, ich wollte die Seite ebenfalls posten.



      Als Konsumenten endlich Alternativen bekommen:



      www.naranjasdelcarmen.com/de



      delicado48.com/de/



      Wozu haben wir schließlich das Netz.

      • @MahNaMahNa:

        Cool, dann sind wir schon zu zweit.

        Danke für die Links!