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Hass gegen DragqueensNur die Spitze des Eisbergs

Dragqueens stehen in den USA gerade mal wieder im Fokus rechter Bewegungen. Dass das wenig diskutiert wird, hat was von unterlassener Hilfeleistung.

Will gegen Dragqueens vorgehen: Arkansas Gouverneurin Sarah Huckabee Sanders Foto: Will Newton/ap

M eine erste Dragqueen hat mir meine Oma gezeigt. „Die Mary“, rief sie fröhlich von ihrem Sessel, als Mary Morgan Ende der 80er Jahre im funkelnden Kleid über den Fernseher schwebte. Was ich genauso toll fand, war, wie Mary beim letzten Song den Schmuck ablegte, die langen Wimpern löste, sich mit den Fingern durch die Haare fuhr und langsam die Schminke abnahm, weiter singend, ohne mit der Wimper, der kurzen, zu zucken.

Dass ich später Judith Butler studieren würde, konnte ja niemand ahnen. Mary machte auch Werbung für Zentis-Konfitüre. Ich aß zwar lieber die selbst gekochte von meiner Oma, lustig war das trotzdem. Mary stieg in den Spots eine Revuebühne hinunter und erzählte eine Marmeladengeschichte. Auf ihren Head Shots trug Mary manchmal Schlips und Anzug und sah damit nur noch berauschend weiblicher aus. Eine echte Femme eben.

Wenn ich mal Enkelkinder habe, lese ich ihnen abends immer ein Kapitel aus BeV StroganoVs digitalem Tuntenmuseum vor. Wissen macht stark. Zum Beispiel darüber, was passiert, wenn eine Regierung medizinische Hilfe versagt. Wie wenig hier diskutiert wird, dass Dragqueens gerade wieder im Fokus der rechten Bewegung in den USA stehen, hat auch was von unterlassener Hilfeleistung. Da dort anscheinend nicht alle Kinder eine travestieversierte Oma haben, gibt es in Bibliotheken, Kirchen und Cafés Drag-Brunchs und Lesestunden mit Dragqueens.

Für 2022 verzeichnete die Gay and Lesbian Alliance Against Defamation 141 Angriffe in 47 Staaten auf Prides und die gemütlichen Sitzkreise, darunter in Dallas, Las Vegas und Phoenix. White Supremacy-Gruppen wie die Proud Boys treten in Texas mit Waffen auf, in Oklahoma wurde ein Brandanschlag auf einen Donutladen verübt. „God Hates Fags“-Fred Phelps mit seinen albernen Neonschildern war da fast nichts dagegen.

Neue Kleiderordnungen

In Arkansas geht es gerade so richtig los. Die republikanische Gouverneurin Sarah Huckabee Sanders ließ nach Amtsantritt die gendersensible Bezeichnung „Latinx“ aus offiziellen Dokumenten streichen und Critical Race Theory an öffentlichen Schulen verbieten, damit bloß niemand mit Schü­le­r:in­nen über Rassismus sprechen kann.

Ihre Kollegen schmieden an einer Gesetzesvorlage, die Dragshows mit Pornografie gleichsetzt und so ins Nachtleben verbannt. In Arizona soll das Gleiche passieren. Im Kleingedruckten tauchen Formulierungen in der Tradition der Gesetze gegen „Crossdressing“ auf, schon ein Monolog vor Kindern in der Kleidung des „anderen“ Geschlechts wäre dann strafbar.

In Missouri gibt es eine neue Kleiderordnung für weibliche Abgeordnete. Ohne Jäckchen geht’s nicht mehr zur Sitzung. Als ob jedes Hemd, das nicht mit einem Stofffetzen bedeckt ist, die Kollegen von ihren Handys ablenken könnte. Fehlt nur noch der Zwang zum Rock. Ich rufe schon mal die Omas gegen Rechts an.

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Noemi Molitor
Redakteur:in
Redakteur:in für Kunst in Berlin im taz.Plan. 2022-2024 Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA und promovierte an der Schnittstelle von Queer-Theorie, abstrakter Malerei und Materialität. Als Künstler:in arbeitet Molitor mit Raum, Malerei und Comic. Texte über zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.
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