Harvard-Präsident Alan Garber: Endlich Widerstand gegen Trump
Nach Druck von Studierenden und Mitarbeitenden wehrt sich der Uni-Leiter gegen die Einmischung der US-Regierung. Die Elite-Uni kann sich das leisten.
Mit einem fiktiven Paradies in Tibet verglich Alan Garber die elitäre Harvard-Universität noch bei seiner Antrittsrede als Präsident im Dezember. In diesem Paradies namens Shangri-La lebten Menschen in Frieden und Harmonie, so der 69-jährige Arzt und Wirtschaftswissenschaftler.
Die 400 Jahre Geschichte, sagte er, machten Harvard nicht nur zu einer der ältesten Institutionen Nordamerikas, sondern auch zu einer der einflussreichsten der Welt. Wenige Monate später wirkt diese Rede seltsam realitätsfremd und entrückt.
Denn als erste Universität leistet Harvard Widerstand gegen die erpresserischen Taktiken der Regierung von Donald Trump. Durch akademische Kreise geht ein Aufatmen. Endlich! Ihr Aufbäumen steht im Gegensatz zur Columbia-Universität, die einknickte, als man ihr drohte, die Bundesmittel zu streichen.
In einem Schreiben an die Regierung erklärten Harvards Anwälte, die Universität sei weder bereit, ihre Unabhängigkeit noch ihre von der Verfassung garantierten Rechte aufzugeben. „Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen und welchen Studien- und Forschungsbereichen sie nachgehen dürfen.“
Daraufhin kündigte das Bildungsministerium an, 2,2 Milliarden US-Dollar Fördergelder und 60 Millionen an mehrjährigen Verträgen einzufrieren. Mit über 50 Milliarden US-Dollar besitzt Harvard im Vergleich zu anderen Universitäten das größte Stiftungsvermögen und somit die größte Unabhängigkeit. Genau deswegen könnte die Erklärung zum Kampf richtungsweisend für alle anderen sein.
Garber hat viel gegen Antisemitismus getan
Als Begründung für die Streichung führte das Ministerium unter anderem an, Harvard unternehme nicht genug zum Schutz von jüdischen Studierenden. Alan Garber ist jüdisch und wehrt sich gegen die Vorwürfe. Harvard hätte alles Erdenkliche getan, um Antisemitismus und Diskriminierung zu bekämpfen. Heute stehe die Universität vollkommen anders da als noch vor einem Jahr.
Eine Ivy-League-Universität zu leiten, galt lange als prestigeträchtig. Heute ist der Job kaum zu bewältigen. Seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 und den Protesten gegen Israels Krieg gegen Gaza mussten fünf von acht Präsidenten der Ivy-League-Universitäten ihre Posten aufgeben. Columbias Führung wechselte bereits zwei Mal. In Harvard folgte Alan Garber als Krisenmanager auf Claudine Gay, die als erste Schwarze Präsidentin aus dem Amt gedrängt wurde.
Eine neue Figur des Widerstands
Mit seiner Haltung gegen das Regime ist Garber über Nacht zu einer Figur des Widerstands geworden. Barack Obama und Bernie Sanders gratulierten ihm auf X, andere Universitäten und Forschende schöpfen Mut. „Die akademische Freiheit ist gefährdet. Ihr dürft nicht klein beigeben!“, heißt es etwa.
Garbers Widerstand ist aber auch das Resultat von Druck. Vergangenen Monat unterschrieben 800 Fakultätsmitglieder einen Brief an die Leitung Harvards. Sie forderten den Präsidenten auf, sich gegen die demokratiefeindlichen Maßnahmen der Regierung zu wehren. Wie hoch der Preis für die Standhaftigkeit sein wird, ist noch unklar. Mehr als 10.000 Forschende haben ihre Jobs an US-Universitäten schon verloren – die ihre Familien bald vielleicht nicht mehr versorgen können.
„Ich bin dankbar für den Mut und die Führung von Präsident Garber“, kommentierte Nikolas Bowie, Professor für Recht und Mitglied der American Association of University Professors, im Gespräch mit der New York Times. Mit Erpressern dürfe man nicht verhandeln.
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