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Hartes Urteil gegen EpileptikerHaft nach tödlichem Autounfall

Ein Epileptiker, der einen schweren Verkehrsunfall verschuldet hat, muss ins Gefängnis. Er hatte seine Krankheit verschwiegen.

Epileptiker dürfen nur ans Steuer, wenn sie ein Jahr ohne Anfall waren Foto: Alexander Körner/dpa

Würzburg dpa | Ein Epileptiker, der 2018 am Steuer einen Krampf erlitten und eine Spaziergängerin totgefahren hat, muss ins Gefängnis. Das Amtsgericht Würzburg verurteilte ihn am Montag wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie fahrlässiger Tötung zu drei Jahren Haft. Außerdem erhielt der Mann ein lebenslanges Fahrverbot.

Damit blieb das Gericht unter der von der Anklage geforderten vierjährigen Gefängnisstrafe. Erst im September hatte ein Autounfall in Berlin mit vier Toten eine bundesweite Debatte um Fahrer mit schweren gesundheitlichen Problemen ausgelöst.

Der 32-Jährige im Würzburger Fall hatte am Dreikönigstag 2018 auf einem Feldweg bei Würzburg die Kontrolle über sein Auto verloren. Er war mit Tempo 120 statt mit erlaubten 30 Kilometern pro Stunde unterwegs und fuhr frontal in eine 26-jährige Spaziergängerin. Die Frau erlitt einen Schädelbruch und starb noch am Unfallort.

Der Unfallfahrer hatte erst ein knappes Jahr vor dem Unfall seinen Führerschein zurückerhalten. Dieser war ihm entzogen worden, weil er bei einer Alkoholfahrt einen schweren Verkehrsunfall verursacht hatte. Im Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verschwieg der Verurteilte seine Epilepsie, die seit 2009 diagnostiziert war.

Richter spricht von „notwendigem Urteil“

Nach Überzeugung des Gerichts nahm er gegen ärztlichen Rat seine Medikamente nur unregelmäßig. Die Mediziner hatten ihm auch vom Autofahren grundsätzlich abgeraten. Das Gericht sprach deshalb von einem „harten, aber notwendigen Urteil“.

Beim Berliner Unglück im September war ein SUV über die Gegenfahrbahn hinweg von der Invalidenstraße im Stadtteil Mitte abgekommen. Der Wagen rammte eine Ampel, tötete die Menschen auf dem Gehweg und durchbrach einen Bauzaun. Unter den vier Toten war ein dreijähriger Junge.

Der Anwalt des Autofahrers sprach später in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft von einer „akuten gesundheitlichen Notlage“ seines Mandanten. Die Beifahrerin hatte laut Ermittlern direkt nach dem Berliner Unfall von einem epileptischen Anfall gesprochen.

In der Regel dürfen Epileptiker nicht am Steuer eines Autos sitzen. Ausnahmen: mindestens ein Jahr ohne Anfall, auch bei Medikamenteneinnahme – und keine Nebenwirkungen von Therapien, die Probleme beim Fahren machen könnten. Wenn die Anfälle nur im Schlaf auftreten oder keine Einschränkungen für das Autofahren mit sich bringen, kann eine Fahrerlaubnis erteilt werden – allerdings erst nach einer längeren Beobachtungszeit.

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4 Kommentare

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  • Ist zwar nicht die Pressemitteilung - aber so geht’s auch.

    “… Der Angeklagte hatte laut Pressemitteilung umfangreiche Erfahrungen mit seinem Anfallsleiden und hätte zur Überzeugung des Gerichts anhalten können, er habe sich aber ungeachtet dessen dazu entschieden, seine Fahrt fortzusetzen. Bevor der damals 30-Jährige in den Gehägsweg eingefahren war, zu einem laut Gericht nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt vor 13.18 Uhr, habe er einen Bewusstseinsaussetzer erlitten, der zur Aufhebung seiner Steuerungsfähigkeit führte.

    Durch den Anfall bedingt sei der Angeklagte dann auf dem Gehägsweg mit einer Geschwindigkeit von 123 km/h gefahren und in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abgekommen. Er ist mit seinem Fahrzeug mit einem Baum kollidiert und habe die ihm entgegenkommende Fußgängerin, die keine Ausweichmöglichkeit gehabt habe, frontal erfasst. Die junge Frau ist noch an der Unfallstelle an den Folgen ihrer schweren Verletzungen verstorben.

    Abschließend heißt es im Urteil, dass die konkrete Gefährdung sowie der Tod der Fußgängerin vorhersehbar und vermeidbar gewesen seien. „Zur Überzeugung des Gerichts hat der Angeklagte bereits zu Fahrtbeginn seine Fahruntüchtigkeit erkannt, zumindest aber billigend in Kauf genommen und musste – jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Ankündigung des Anfalls – auch mit der Möglichkeit eines Verkehrsunfalles rechnen. Er habe seine körperlichen Mängel gekannt.

    Die konkrete Gefährdung sowie der Tod der Fußgängerin sei vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Davon, dass der Angeklagte eine konkrete Gefährdung sowie eine Tötung der Fußgängerin gewollt oder auch nur billigend in Kauf genommen habe, konnte sich das Gericht nicht überzeugen. Zur Überzeugung des Gerichts hat sich der Angeklagte charakterlich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen“, so das Amtsgericht Würzburg.“



    —-



    www.wuerzburgerleb...strafe-verurteilt/

    • @Lowandorder:

      Will also sagen - die überhöhte Geschwindigkeit unterlag nicht mehr seiner Steuerung (sonst wäre die “Epilepsie“ nämlich nicht kausal geworden/gewesen.)



      &



      Das Gericht hat zwar (zu recht) die schärfere Form der Fahrlässigkeit (luxuria) angenommen. Einen - ja durchaus wg der Details - im Raum stehenden “bedingten Vorsatz“ (“billigend in Kauf nehmen“) - aber “nicht feststellen können“. Also eher am Rande von “im Zweifel für den Angeklagten!“ - sich bewegt. Nachvollziehbar.

      kurz - Hartes Urteil - sehe ich eher nicht.

      unterm——- zu F. - speziell im Strafrecht



      de.wikipedia.org/w...ahrl%C3%A4ssigkeit

      • @Lowandorder:

        So kohärent, so hilfreich und erhellend! Sie dürften sehr gerne so bleiben... Danke!

        • @Wurstprofessor:

          Danke - servíce 🧐



          &



          Ab&an mal ne Fingerübung - kann denen nicht schaden. Gelle.

          unterm—— nach 50j+ jur - mal so ~ ~



          Mit Paul Feyerabend zur Vernunft -



          “…hab ja auch nichts gegen Schweinebraten.… aber - “…nauch is nauch…“ (genug ist genug;)



          & sodele - “Humor & Luschtbarkeiten“



          &



          (ps “Zeitverschwendung“ - Paul Feyerabend - so seh ich’s allerdings nicht - 😎 )