„Hart aber fair“ in der Kritik: Suggestiver Teaser, suggestive Fragen
Um Migranten und ihren vermeintlichen Hang zu Kriminalität ging es in Frank Plasbergs Talkshow. Zu Gast: natürlich keine Flüchtlinge.
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Den Shitstorm hatte Frank Plasberg schon am Hals, bevor er auf Sendung ging. In seiner Talkshow „Hart aber fair“ sollte es am Montagabend mal wieder um das Thema Flüchtlinge gehen – genauer um Flüchtlingskriminalität. Seit Monaten schon steht der Vorwurf im Raum, die zu Plattitüden einladenden Gesprächsformate im Öffentlich-Rechtlichen würden ein arg populistisches Bild von Migrations- und Integrationsfragen zeichnen und der AfD in die Hände spielen.
Bei „Hart aber fair“ störte das aber offenbar niemanden – und so kündigte man die Sendung schon im Vorfeld mit folgenden Worten an: „Flüchtlinge und Kriminalität – Die Diskussion: Junge Männer, geflohen aus Krieg und archaischen Gesellschaften – für viele hierzulande Grund zu Sorge und Angst. Können solche Flüchtlinge überhaupt integriert werden? Wie unsicher wird Deutschland dadurch?“ In den sozialen Medien wurde die Talkredaktion für diese Zuspitzung kritisiert.
Nicht ohne Grund, denn die Ankündigung nimmt das Ergebnis der Diskussion schon vorweg. Als würde man annoncieren: „Talkshows und Populismus: Medienmacher mit zweifelhafter Berufsethik – für Befürworter sachlicher Auseinandersetzungen hierzulande Grund zu Sorge und Angst. Kann man solche Fernsehformate überhaupt noch überarbeiten? Wie vergiftet wird der Diskurs dadurch?“
Dementsprechend erwartbar wurde die Sendung. Nach einer Dokumentation über zwei von Flüchtlingen verübte Gewaltverbrechen an Mädchen diskutierte man über Migranten und ihren vermeintlichen Hang zu Kriminalität. Flüchtlinge selbst kamen nicht zu Wort. Das fiel aber lediglich Weltspiegel-Moderatorin Isabel Schayani auf, die als einzige Teilnehmerin des Panels einen Migrationshintergrund hat und die geistreichsten Wortbeiträge lieferte.
Sie kritisierte die Architektur der Sendung und die häufig negative Berichterstattung zu Flüchtlingen. Man könne doch nicht so tun, als ob genug Talkshows dafür sorgen, dass Flüchtlinge schon wieder gehen würden, sagte die TV-Journalistin. Ähnlich äußerte sich Asmen Ilhan, der beim Berliner Integrationsprojekt „Heroes“ versucht, Jugendlichen mit Migrationshintergrund mithilfe von Rollenspielen Akzeptanz für die Gleichberechtigung von Frauen zu vermitteln. Ilhan forderte, man solle nicht immer so „defizitorientiert“ über Flüchtlinge reden, sondern mit ihnen. Eigentlich ein simpler Vorschlag – aber auch Ilhan durfte im Panel nicht mitreden. Plasberg interviewte ihn separat.
Apropos Plasberg. Der musste wegen seiner Suggestivfragen sogar von Gästen zurückgepfiffen werden, die nicht unbedingt der Refugees-Welcome-Gruppe zuzuordnen sind. So fragte er CSU-Generalsekretär Markus Blume, wie oft er den Satz höre, dass „die ermordeten Mädchen noch am Leben“ wären, wenn man die Flüchtlinge nicht ins Land gelassen hätte. So was höre man, antwortete Blume ruhig, nachdem Plasberg dieselbe Frage zwei Mal stellte. Deshalb sei es wichtig, dass man „in der Diskussion entsprechend differenziert.“
Zuspitzungen in der Berichterstattung
Daran schien Plasberg aber kaum interessiert. Der Moderator wirkte während der Sendung, als habe er seine Haltung zum Thema schon gefunden. Einige Beispiele: In einem Einspieler schilderte ein Flüchtling, dass er zwar anfangs überrascht von öffentlich ausgelebter Homosexualität gewesen, nun aber daran gewöhnt sei. Plasberg nahm das dem Interviewten wohl nicht so ganz ab und fragte rhetorisch, ob da jemand nur einen Schalter umlege und „besonders guten Willen zeigen“ wolle.
Derlei Zuspitzungen mögen im Fernsehen üblich sein. In einer ohnehin auch durch die Berichterstattung angeheizten Zuwanderungsdebatte hätte ein wenig mehr Fingerspitzengefühl dennoch nicht geschadet. Ein paar Twitter-Gegner hat Frank Plasberg wohl trotzdem am Montag noch auf seine Seite ziehen können. Am Tag der Ausstrahlung sagte er dem Tagesspiegel, dass man AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wegen seiner Äußerung über die NS-Zeit als „Vogelschiss“ der „erfolgreichen“ deutschen Geschichte nicht mehr einladen werde. Na, immerhin.
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