Harry Potter: Mach doch mehr aus deinem Typ

Märchenmotive und Spezialeffekte begeistern nur sequenzenweise - auch die Brille sitzt nicht mehr. "Harry Potter und der Orden des Phönix" ist ein sehr braver Film.

Der Orden des Phoenix. Kampfbereit? Bild: warner

Die Brille passt nicht mehr. Es ist zwar noch die Harry-Potter-Brille mit zwei runden Gläsern in einem aus allen Designmoden herausgefallenen Gestell. Und es ist auch schon noch das Harry-Potter-Gesicht, auf das der Schauspieler Daniel Radcliffe diese Brille setzt. Aber beides passt nicht mehr zusammen. Daniel Radcliffe hat mittlerweile das Gesicht und den Körper eines jungen Mannes. Etwas Gespanntes ist in ihm. In manchen Szenen von "Harry Potter und der Orden des Phönix" erhascht man gar etwas Kriegerisches. Aber dann ist da diese alberne Brille und all die andere Harry-Potter-Folklore, die diese Figur immer wieder ins Süßliche zurücktreibt.

Es ist, als ob die Möglichkeiten dieser Figur und auch der ganzen Geschichte nicht mehr zu den Bildern passen, die man sich längst zu dieser Zauberwelt gemacht hat. Das ist das Dilemma dieses Films. David Yates, der neue, bislang allein durchs Fernsehen bekannte Regisseur (das G-8-Fernsehspiel "The Girl in the Café"), vertraut eher den bekannten Bildern und Mustern - immer noch staunen alle, dass Zaubern möglich ist, als hätte es die ersten vier Verfilmungen nicht längst gegeben! -, als dass er entschlossen nach einer neuen Form für die angelegten Möglichkeiten gesucht hätte.

Warum nicht einmal groß denken? Warum nicht träumen? Schließlich geht es hier ja auch um Magie! Dies wäre also der Punkt gewesen, an dem sich die Verfilmungen zum Epos, zum Paralleluniversum hätten weiten können. Von hier ab hätte Harry Potter vielleicht sogar zu einem Gegenentwurf zu Peter Jackson "Herr der Ringe"-Saga werden können. Okay, das ist jetzt zu groß gedacht; aber immerhin, das fünfte Buch - eines der besten der Reihe (sagen auch die Kinder!) - hätte Stoff genug bereitgehalten, einen unübersichtlichen Bürgerkrieg episch zu inszenieren. David Yates hat es dabei belassen, die Serie fortzuführen. Und aus dem bislang dicksten Buch wurde dabei der bislang kürzeste Film. So ist diese Verfilmung gewissermaßen die unpassende Brille in einem Gesicht, das längst eine neue Typberatung verdient hätte.

Der unübersichtliche Guerillakampf gegen die freiwilligen und unfreiwilligen Helfer des finsteren Voldemort, den das Buch entfaltet, ist im Film im Wesentlichen auf zwei Orte zusammengeschrumpft. Da gibt es auf der einen Seite die Halle in Hogwarts, deren hohe Wände der Hausmeister Argus Filch mit immer neuen Erlassen der Schulleiterin Dolores Umbridge pflastert; Dumbledore vor die Nase gesetzt, soll sie die Meinung des Zaubereiministeriums durchsetzen, dass es Voldemort gar nicht gibt. Und auf der anderen Seite gibt es den großen Saal, in dem sich die guten Kinder um Harry scharen und sich von ihm zur Untergrundarmee ausbilden lassen. Immerhin gibt es dabei hübsche Verballhornungen von typischen Szenen aus Rekrutenfilmen - erst geht eine Übung schief, dann freuen sich alle, wenn sie doch klappt -, aber die Dramaturgie des Ganzen ist allzu bekannt: Die Gefahr wächst, aber die Entschlossenheit, sich gegen sie zur Wehr zu setzen, auch.

Während das Buch eine ganze Zaubererzivilisation ausbreitet, erfüllt die Verfilmung innerhalb der Serie gerade einmal die Funktion, den Endkampf vorzubereiten: Am Ende kann niemand mehr die Existenz Voldemorts bestreiten, und Harry und die Seinen machen sich bereit. Da das für einen Film nicht reicht, füllt David Yates die zwei Stunden mit künstlichen Spannungsmomenten und karikierenden Bildern. Harrys Muggel-Ersatzfamilie sieht inzwischen geradezu widerlich aus und die Schulleiterin Dolores Umbridge hüpft - unpretty in pink - wie ein Vögelchen durch die Gänge. Dass sie in ihrem Kampf gegen die eigenen Schüler bis zur Folter zu gehen bereit ist, verleiht dieser Figur aber doch etwas Tiefe.

Die größte Enttäuschung ist die Zauberei. Sie hat wenig Wunderbares und nichts Leichtes; es geht für die Zauberschüler nur noch darum, sich die passenden Abwehrzauber für die jeweils anstehenden Gefahren anzueignen. Die Märchenmotive schnurren so aufs Zweckrationale zusammen. Und ein Riese sowie diverse neue Fabelwesen werden auch nur eingeführt, um ihre Schauwerte ins Spiel zu bringen.

Wenigstens eine Zeit lang zaubert der Film dafür wenigstens selbst mit aller Kraft. 20 Minuten sind in 3 D gedreht; mit einer passenden Brille kann man Harry bei einem Drachenflug über London und den großen Showdown dreidimensional sehen. Scherben, die durch die Luft fliegen, das sieht toll aus! Ob dieser technische Einsatz dramaturgisch Sinn hat, darf bezweifelt werden. Aber die Episode zeigt doch, was aus dem Film, wenn schon kein Epos, auch hätte werden können: ein sinnfreies, glitzerndes Spielzeug, bei dem Spezialeffekte zum Bestaunen freigegeben sind.

"Harry Potter und der Orden des Phönix". Regie David Yates. Mit Daniel Radcliffe, Emma Watson u. a., Großbritannien/ USA 2006, 138 Min.

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