Harriet Wolff über die eskalierten Klimaproteste von Paris: Rücksichtslos und repressiv
Es ist eine verstörende Bilanz, eine Bilanz, die nicht nur Staatspräsident Emmanuel Macron im Dialog mit der französischen Zivilgesellschaft erneut und heftig in Bedrängnis bringen wird. 120 Inhaftierte, Tränengasattacken der Polizei auf eingekesselte Familien und Kinder, die brav auf der Demo-Route geblieben waren – ein von diversen Umweltgruppen in Paris organisierter Klimamarsch entglitt am Samstag ins Chaos. Die Polizei reagierte auf Zusammenstöße mit dem gewalttätigen Schwarzen Block erneut völlig überzogen, wirkte taktisch wie so oft komplett überfordert.
Eigentlich hatte sich ja Macron über den Sommer, und nach den massiven Protesten der Gelbwesten in der ersten Jahreshälfte, als Volksversteher inszeniert. Gemäßigtere, versöhnlichere Töne wurden in Richtung der sozialen Bewegungen in Frankreich gefunkt – auch in Hinblick auf die anstehende große und massive Reform des Rentenssystems.
Genau dabei bräuchten Macron und sein Regierungschef Edouard Philippe eigentlich Rückhalt und Verständnis bei diversen gesellschaftlichen Gruppen. Doch das verspielen sie erneut durch ein rücksichtsloses und repressives Auftreten der Staatsmacht. Wenn Gelbwesten und Klimaschutzbewegungen wie jetzt Samstag in Paris friedlich zusammengehen wollen, darf es absolut nicht sein, dass die Polizei Prokura dafür erhält, Zehntausende friedliche Demoteilnehmer*innen in Gefahr zu bringen.
Denn so säen letztlich die Regierung und Staatspräsident Macron nicht nur Angst unter den Gegnern ihrer weitgehend neoliberalen Politik – nein, sie verscherzen es sich auch nachhaltig mit einem großen Teil ihrer eigenen Anhängerschaft. Denn die allermeisten Wähler*innen und Sympathisant*innen von Macrons Bewegung En Marche stehen friedlichen Klimaschutzbewegungen wohlwollend und unterstützend gegenüber. Werden diese jetzt zum Teil brutal ausgebremst, wird auch schnell der Daumen bei Macron gesenkt werden.
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