Harald Keller Der Wochenendkrimi: Der „Tatort“ ist zurück!In einer einzigen laaangen Sequenz
Das Volk ist wieder beschäftigt: Die neuen „Tatort“-Folgen sind da. Tatsächlich ist der Start aber gar nicht schlecht. Immer wieder haben Filmemacher in der Vergangenheit mit der Form des „Tatorts“ gespielt. Diesmal bewältigt Regisseur Dani Levy die selbstgestellte Aufgabe, die Handlung in einer einzigen Plansequenz einzufangen. Es gibt also keine Schnitte.
Das sieht dann so aus: Ermittler, Verdächtige und mögliche Zeugen treffen bei einem Benefizkonzert im Luzerner Kultur- und Kongresszentrum aufeinander. Mit dabei ist Franky Loving (Andri Schenardi). Der „missratene“ Sohn des Unternehmers und Mäzens Walter Loving (Hans Hollmann) bahnt sich seinen Weg durch Menschen und Sicherheitsleute. Die Kamera folgt Franky, fixiert weitere Protagonisten, wird in einer exakten Choreografie durch Foyers, Saal, Garderobe bis zur Bühne schweben und im Zuge einer Verfolgungsjagd hinauseilen, über die Straße zum Bahnhof und zurück.
Franky geleitet das Publikum als Conférencier – eine Art Ansager – durch die „Tatort“-Episode, begegnet dem Genre mit frecher Skepsis und warnt den Zuschauer sogar vor diesem „Tatort“: „Ich finde, Filme mit Polizisten sollten verboten werden“, nörgelt er und kündigt „eine erbärmliche Geschichte an“. Und im selben Atemzug: „Aber ihr werdet euren Spaß haben.“
Handwerklich ist diese Plansequenz schon hohe Kunst, obgleich gelegentlich die Logik geopfert und erkennbar getrickst werden muss. Souverän macht Levy aus der Not eine Tugend. Wenn da die Kamera von einer Szene in der Damentoilette zur entfernt liegenden Bar wechseln muss, übernimmt Franky wieder die Moderation, philosophiert, dass das Sinistre uns alle mehr fasziniert als leichte Schönheit. Zuckt der Finger des Zuschauers schon zum Umschaltknopf? Da beugt sich Franky vor und gibt Entwarnung: „Keine Angst, die Geschichte geht ja gleich weiter.“
Die Autoren Levy, Stefan Brunner und Lorenz Langenegger treiben ein kaustisches Spiel: Sie bedienen das Genre „Krimi“ und zersetzen es zugleich. Das wird nicht jedem gefallen. Dabei ist „Die Musik stirbt zuletzt“ kein L’art-pour-l’art-Langweiler, sondern greift an. Die Kritik gilt jenen Schreibern, Machern und Zuschauern, die sich an künstlich auf Hochkultur getrimmten, aber belanglosen Produkten wie beispielsweise der ebenfalls unter dem „Tatort“-Etikett servierten Zitatbastelei „Im Schmerz geboren“ mit Ulrich Tukur ergötzen können. Ob sie es wohl bemerken werden?
Schweiz-„Tatort“: „Die Musik stirbt zuletzt“, So., 20.15 Uhr, ARD
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