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Hansi Flick bleibt BundestrainerWerkeln  im Kontinuum

Beim DFB hält man an Hansi Flick fest. Ausschlaggebend sind alte Verdienste. Von einer Aufbruchstimmung ist nichts zu spüren.

Routinierter Anweiser: Flick bei seiner Arbeit an der Seitenlinie Foto: Christian Charisius/dpa

„Das Bild, das der DFB abgibt, ist einfach jämmerlich. Die ganze Welt schaut auf Deutschland und dann stellt die internationale Presse fest, dass der deutsche Fußball ein Scherbenhaufen ist und sein Verband orientierungslos. Dabei stehen wir zwei Jahre vor dem wichtigsten Sportereignis, das in den nächsten 40 Jahren in diesem Land stattfindet. Was augenblicklich passiert, kann nicht im Sinne des Landes, der Regierung und der Fans sein.“ Dieses Zitat darf als untrüglicher Beweis gelten, dass sich Fußballgeschichte wiederholt. Die Frage ist nur: als Farce oder Tragödie?

Die Analyse stammt nicht etwa aus diesen Tagen, sondern aus dem Jahr 2004, und angestrengt hat sie Jürgen Klinsmann, der zum damaligen Zeitpunkt „kategorisch“ ausschloss, Bundestrainer werden zu wollen. Rudi Völler war gerade zurückgetreten nach einem schmählichen Aus bei einem Großturnier: 1:2 gegen Tschechien. Völler, noch beliebter als Hansi Flick heute, wollte den Weg freimachen für einen Typen, der „unbefleckt“ ist. Die unbefleckte Empfängnis führte über Umwege zu Hansi Flick. Völler sagte damals völlig zu recht, dass er keinen Rucksack schleppen wolle bis zur Heim-WM. Das gehe nur schief.

Eine solche Last schultern will nun ausgerechnet Flick, der bei seinem ersten Turnierausflug in höchster Trainerverantwortung gleich scheiterte: Der Deutsche Fußball-Bund unter seinem Präsidenten Bernd Neuendorf sprach am Mittwoch bei einer Krisensitzung unter Beisein von DFB-Vize Aki Watzke dem alten neuen Bundestrainer das Vertrauen aus – oder jedenfalls ­irgendetwas in dieser Richtung. Er darf jedenfalls weitermachen.

Oliver Bierhoff dient dem DFB als Bauernopfer, soll die Öffentlichkeit beruhigen, Flick aber, der über die Fähigkeit verfügt, den Sturm der (gedämpften) Entrüstung an sich vorbeiziehen zu lassen, werkelt weiter in einem Kontinuum, das nun schon viel zu lange dauert. Die Ära Löw/Bierhoff/Flick hätte nun, da ihr Zenit sichtlich überschritten ist, beendet werden können. So bleibt die Entscheidung halbgar, unentschieden. Und sie scheint einem Populismus von Zögerlichen zu entspringen, die Angst haben vor dem großen, befreienden Schnitt und die nach einem Taxieren von zweifelhaften Beliebtheitswerten am Bekannten festhalten.

Vorliebe für Bayern-Spieler

Aber ist Flick wirklich noch der richtige Mann, um das Team erfolgreich in die EM 2024 im eigenen Land zu führen? Kann er ein Momentum kreieren? Für neue Aufbruchstimmung sorgen? Das Weiter-so wurde völlig uninspiriert in einer Pressemitteilung unter die Medien gebracht, die Verantwortlichen hielten es nicht einmal für nötig, sich auf ein Podium zu setzen und so zu tun, als hätten sie etwas vor. Kein Nationalspieler machte sich öffentlich stark für seinen Trainer, nicht einmal die Bayern-Spieler, die Flick notorisch und ohne Rücksicht auf andere Nationalspieler stets auf die besten Positionen geschoben hat.

Der eine oder andere Auswahlspieler muss sich fragen, ob das Leistungsprinzip in der Auswahl überhaupt noch gilt oder ob es reicht, das rote Hemd der Münchner zu tragen, um vom ehemaligen Bayerntrainer Flick in die Startelf beordert zu werden. Bringt dieses meritokratische Verständnis von Personalpolitik noch etwas? Ist Flick nicht auch viel zu konfliktscheu, um Umstrukturierungen anzugehen?

Es reichte über viele Jahre, die Gutverdiener aus den Topvereinen bei Laune zu halten, ihnen ein Wohlfühlambiente zu garantieren. Der Druck der Öffentlichkeit disziplinierte die vielen kleinen Ich-AGs schon irgendwie. Aber auch das hat bei dieser WM nicht mehr funktioniert, weil die Öffentlichkeit sich in moralischer Überheblichkeit desinteressiert zeigte. Oder das Sportliche negierte.

Zur EM 2024 wird wieder national getrötet, die Maschinerie für die Event-Hipster und Ereignis-Mitläufer angeworfen. Und das ist die einzige gute Nachricht für Hansi Flick. Dass er wieder in einem Klima des Hypes arbeitet und seine Schützlinge den „Ernst der Lage“ auch ohne Wundertaten des Trainers Flick erfassen.

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2 Kommentare

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  • 2023 ist Frauen-Fußball-WM. Endlich mal eine FRAUSCHAFT, die Freude bereitet.

  • Alte Verdienste? Zählen die? Ein Bundestrainer sollte internationale Erfahrung besitzen. Denn das sind die Gegner. Bundesliga-Erfahrung hilft da nicht weiter!