Handyüberwachung bei G20: Demonstranten ausspioniert
Beim G20-Gipfel griff der Verfassungsschutz großflächig Daten aus dem Mobilfunknetz ab. Die Methoden sind ungenau, Auskünfte für Betroffene gibt es nicht.
Das Foto und die Aussagen der Aktivisten nahm die Harburger Links-Fraktion zum Anlass und stellte eine Anfrage an den Senat, um feststellen zu lassen, was in Harburg genau passierte. Was schon bekannt ist: In Hamburg wurden während des G20-Gipfels großflächig Handys von Demonstranten durch den Verfassungsschutz und die Polizei überwacht. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage von Christiane Schneider (Die Linke) Anfang vergangener Woche hervor.
Der Senat berichtet, dass 38 Anträge zur Erhebung von Funkzellenabfragen gestellt wurden. In 31 Fällen wurden „Stille SMS“ benutzt, um Verdächtige ohne ihre Kenntnis zu orten. Dabei werden leere SMS verschickt, von denen die Empfänger nichts mitbekommen.
Sogenannte IMSI-Catcher kamen ebenfalls zum Einsatz. Einzelheiten werden nicht veröffentlicht, da dies „zu einer wesentlichen Schwächung der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen“ würden, heißt es in der Antwort des Senats.
Informationen können beispielsweise durch eine Funkzellenabfrage gewonnen werden. Dabei werden Verbindungsdaten erhoben, mit denen festgestellt werden kann, wer sich wie lange im Bereich einer Funkzelle aufgehalten hat. Diese Daten werden nachträglich erfasst und müssen bei den Netzbetreibern angefragt werden.
Agenten im Funkmast-Kostüm
Die International Mobile Subscriber Identity (IMSI) ist eine auf der SIM-Karte gespeicherte Nummer, die den Nutzer im Mobilfunknetz eindeutig identifizierbar macht. IMSI-Catcher gaukeln Mobiltelefonen vor, ein gewöhnlicher Funkmast zu sein. Das Handy verbindet sich für den Nutzer unbemerkt über einen IMSI-Catcher mit dem Mobilfunknetz. „Der Catcher ist in der Lage, die Verschlüsselung des Mobilfunknetzes aufzuheben und die Kommunikation zu überwachen“, erklärt Norbert Pohlmann, Leiter des Instituts für Internet-Sicherheit an der Westfälischen Hochschule.
SMS, Verbindungsdaten und Telefonate können direkt mitgehört und gespeichert werden. Polizei oder Verfassungsschutz können mit dieser Methode auch Bewegungsprofile erstellen und die abgefangenen IMSI-Nummern für spätere Ermittlungen nutzen. Über spezielle Smartphone-Apps kann ein Eingriff zwar nachverfolgt, aber nicht verhindert werden.
Diese Verfahren sind problematisch, weil auch Unbeteiligte technisch erfasst werden können. Außerdem erklärte die Bundesregierung vor dem Gipfel ausdrücklich, dass Sicherheitsbehörden keine derartige Überwachung geplant hätten. Trotzdem berichten Aktivisten, dass bei der „Welcome To Hell“-Demo am 7. Juli IMSI-Catcher zum Einsatz gekommen seien. Das sei durch spezielle Apps, die die Verbindungen ins Mobilfunknetz analysieren, erkannt worden.
André Lenthe, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken in Harburg, bemängelt die fehlende Transparenz der Überwachungsmaßnahme: „Für Laien gibt es keine Möglichkeit festzustellen, ob sie betroffen sind.“ Ein Eingriff wie der mit IMSI-Catchern müsse einen zielgerichteten Verdacht haben und richterlich angeordnet sein.
Bei einer von Experten geschätzten Reichweite von 300 bis 500 Metern wären auch zahllose Unbeteiligte betroffen. Es sei unklar, wie mit den Daten von Harburg umgegangen werde, weil die Überwachten keine Mitteilung über die Maßnahme erhielten, so Lenthe.
Betroffene können nur raten
Gesetzlich ist die Überwachung von unbeteiligten Dritten nur erlaubt, wenn „dies aus technischen Gründen“ unvermeidbar ist, um die IMSI-Nummer oder die Gerätenummer eines Verdächtigen zu erfassen. Die erfassten Daten dürfen nur zum Abgleich mit der gesuchten Person genutzt werden und müssen nach Abschluss der Maßnahme „unverzüglich“ gelöscht werden. Die Sicherheitsbehörden müssen die Überwachten nicht benachrichtigen.
Der Linken-Politiker Lenthe kritisiert die unklare Absicht hinter der Überwachung. Es sei nicht ersichtlich, zu welchem Zweck die Kontrolle erfolgte. Die Demonstration sei friedlich verlaufen. Wie viele Menschen insgesamt ausspioniert wurden und nach wem gezielt gesucht wurde, ist nicht bekannt. „Das ist eine willkürliche Maßnahme und wir müssen Bürger vor Willkür schützen“, sagte Lenthe.
Antworten der Hamburger Polizei zu Fragen zum Einsatz von IMSI-Catchern lagen bis Redaktionsschluss nicht vor.
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