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Handelsabkommen ACTAMit dem Holzhammer gegen Filesharer

Plötzlich wird über die Verhandlungen um das Handelsabkommen ACTA geredet. Im Gespräch sind Laptopkontrollen an den Grenzen, Netzsperren und Softwarepatente.

Einmal aufklappen bitte: An den Grenzen soll es Laptopkontrollen geben. Bild: Dawn Endico – Lizenz: CC-BY

Bei europäischen Datenschützern und EU-Abgeordneten macht ein Kürzel die Runde, das für internationale Verhandlungen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen und Produktpiraterie steht: ACTA, "Anti-Counterfeiting Trade Agreement." Die Gespräche zwischen der EU, Japan, den USA, Australien, Kanada und anderen Partnern laufen seit fast drei Jahren. Aber erst jetzt kommt das Thema in der europäischen Öffentlichkeit an. Der Grund: Am 1. Dezember trat der Lissabon-Vertrag in Kraft. Seither muss das EU-Parlament zu internationalen Handelsabkommen seine Zustimmung geben.

Im Januar fragten mehrere Abgeordnete beim Rat der Regierungen und der EU-Kommission schriftlich nach, worum es in den Verhandlungen eigentlich geht und ob europäische Rechtsstandards gewährleistet sind. Aus durchgesickerten Entwürfen für einzelne Paragrafen geht hervor, dass Internetanbieter für illegale Downloads ihrer Kunden haftbar gemacht werden sollen.

Auch eine Kontrolle der Inhalte von Laptops an den Grenzen ist im Gespräch. Nach der letzten Verhandlungsrunde in Mexiko wurde bekannt, dass sich die Teilnehmer noch nicht einmal einig sind, ob sie das Thema Softwarepatente ebenfalls behandeln wollen. In der EU ist es heiß umstritten. Das EU-Parlament lehnte eine europäische Richtlinie dazu ab.

Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss erinnerte die Kommission daran, dass laut EU-Richtlinie über elektronischen Geschäftsverkehr und in den EU-Gesetzen zur Telekommunikation Internetprovider nicht haften, wenn sie illegal erworbene Inhalte ihrer Kunden durch ihre Netze leiten. Auch werden die Telekommunikationsanbieter nicht, wie ursprünglich im Telekommunikationspaket vorgesehen, als Hilfssheriffs eingesetzt. Rat und Kommission hatten sie verpflichten wollen, nach dreimaligem Verstoß gegen das Urheberrecht die Internetleitung zu kappen. Das EU-Parlament hatte diesen Passus im Gesetz gestrichen.

In seiner Anfrage vom 13. Januar will der liberale Abgeordnete Alexander Alvaro wissen, wie viele Staaten an den ACTA-Verhandlungen beteiligt sind, wie lange sie dauern sollen und wann die Inhalte endlich veröffentlicht werden. "Plant ACTA Änderungen beim Recht auf Geistiges Eigentum oder geht es nur darum, bestehendes Recht besser durchzusetzen? Werden Internetprovider verpflichtet, den Zugang von Nutzern zu kappen, die gegen das Urheberrecht verstoßen haben?"

In ihrer Antwort vom 8. Februar versichert die EU-Kommission, dass es darum gehe, EU-Standards zum Schutz des Geistigen Eigentums und zum Datenschutz auf internationaler Ebene durchzusetzen. Da aber auch über strafrechtliche Maßnahmen beraten werde, seien die Mitgliedsstaaten eng in die Verhandlungen einbezogen. Natürlich werde geltendes EU-Recht berücksichtigt – doch die Diskussionen darüber, wie der Schutz des Geistigen Eigentums im digitalen Bereich durchgesetzt werden könne, dauerten ja auch in der EU noch an. Der zuständige EU-Ausschuss für Internationalen Handel sei in den letzten drei Jahren fortlaufend über den Stand der Verhandlungen informiert worden.

Das sieht dessen Mitglied Daniel Caspary (CDU) anders. In einer Pressemitteilung bewertet er die Informationen, die Kommissionsmitglieder dem Ausschuss am 23. Februar gaben, als "enttäuschend." Im Gespräch mit der taz sagt er dann aber: "Für mich heißt Transparenz nicht, dass ich die Verhandlungspapiere laufend einsehen kann. Mich interessiert das Endergebnis. Da stimme ich dann zu oder nicht."

So lange man auf der Grundlage durchgesickerter Entwürfe debattiere, sei das eine "Luftballondiskussion." Christian Engström von der Piratenpartei hingegen ist sehr wohl der Ansicht, dass er Einsicht in die Verhandlungsunterlagen bekommen sollte, um am Ende entscheiden zu können. "Gern würde ich Ihnen eine Stellungnahme zu ACTA geben", sagte er der taz. "Aber leider habe ich keine Ahnung, was da verhandelt wird." Und seine SPD-Kollegin Birgit Sippel beschreibt die Haltung der EU-Kommission so: "Das erinnert mich an den alten Ford-Witz: Sie können das Auto in jeder Farbe haben, es muss eben nur schwarz sein."

Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx fordert die Verhandlungspartner auf, Produktpiraterie nicht mit Mitteln zu bekämpfen, die die Persönlichkeitsrechte einschränken. Außerdem müsse eine öffentliche Debatte über die Inhalte der Verhandlungen geführt werden.

Das hat der neue Handelskommissar Karel de Gucht in seiner Bewerbungsrede vor dem Handelsausschuss des EU-Parlaments ausdrücklich abgelehnt. Es sei völlig unüblich, Details aus laufenden Verhandlungen an die Öffentlichkeit zu geben. Die Abgeordneten wollen sich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben. "Das Parlament lässt sich nicht vor vollendete Tatsachen stellen", erklärte Alexander Alvaro. Anfang April will er eine große Anhörung veranstalten, um die ACTA-Grauzone endlich auszuleuchten.

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15 Kommentare

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  • T
    Tsaimath

    Nicht notwendigerweise für Deppen aber seien wir mal kreativ und gehen außerdem davon aus das es um etwas wichtigeres als en paar Songs geht zum Beispiel irgendwelche Baupläne oder whatever

     

    Man nehme:

    - eine 32GB Mini-SD-Karte

    - lade die sensiblen Daten drauf

    - verstecke sie in Kleidung, Schuhen, Rasierzeug, Zahnpastatuben usw

    - marschiere ganz gemütlich durch den Zoll, solange nicht überall jedes Gepäckstück einzeln durchleuchtet und durchsucht wird und eine komplette Leibesvisitation vorgenommen wird ist die Wahrscheinlichkeit ne Mini-SD zu finden etwa gleich null und auf 32GB kann man so quasi ALLES speichern

  • C
    Christian

    ...und wieder einer, der die beamteten Schn..fler für Deppen hält.

  • C
    chris

    Ich werde der Truecrypt-Foundation was spenden wenn Laptop bzw Durchsuchen von Festplatten durchkommt.

    Wenndie Kontrolleure das PW wvon meinem 900 GB Archiv haben wollen - gerne !

    Truecrypt hat ja noch n "Inner Volume" das unaufspuerbar ist..

    Abgesehen davon gibt es noch tausende andere Moeglichkeiten, seine Daten zu sichern und zu verstecken.

    Ich will gerne sehen, wie die mit ihren Windows PCs mein verschluesseltes EXT4 Laufwerk einhaengen...

  • P
    Peter

    Die (Informations-)Freiheit eines jeden Menschen geht soweit, bis sie die Freiheit eines anderen einschränkt.

    Wenn das so weiter geht, dann sagen "sie" uns wieder, was wir wissen dürfen - und was nicht...

  • D
    dietah

    So, ihr degoutanten Spießerkinder, jetzt setzt euch mal her.

    Also das Internet, das Internet ist die größte menschliche kollektive Wissensbasis und Feldlabor in Personalunion die es jemals gab.

    Die Evolution darinnen potentiert zum analogen Kriechgang. Warum ist das so?

    Weil es frei ist, weil jeder mit jedem kommunizieren kann, in Echtzeit, ortsunabhängig. Freie Informationen die sich neu strukturieren, sortieren und immer neu zusammenfinden. Ein evolutionärer Hexenkessel.

    Jede Information ist jederzeit verfügbar und kann jederzeit adaptiert, manipuliert oder ignoriert werden.

     

    Wir reden hier nicht über Zeitungsabos, über Vertriebskanäle und ppt Präsentationen über fiktiv entgangene Umsätze.

    Was wird hier passieren, wenn ihr einem Haufen dämlicher, geldgieriger Gollums erlauben werdet dies freie, radikale Zusammenspiel auf Schneckentempo herunterzureißen bis sie auch den letzten Cent herausgepresst haben?

     

    Ganz einfach - die Internefauna zerbröselt, die Innovation erlahmt und am Ende haben wir ein zweites rotzlangweiliges TV das von wenigen Großkonzernen dominiert wird, die uns mit langweiligen seichtem Unterhaltungsschrott auch die letzte Synapse aus dem Hirn rauskotzen wird.

     

    Ein paar Gerissene machen ein neues Netz auf und der große Rest bleibt abgehängt.

     

    Und ja mit Freiheit geht auch Missbrauch einher. Aber wenn wir sehen, was bisher passiert ist( in ca. 10-20 Jahren), dann sind die paar Filesharer nun wirklich nicht der Untergang des Abendlandes. Denn ob diese Filme/ Spiel blbla etc. wirklich gekauft würden oder ob Geldmangels wegen dann eher ignoriert ist doch eher die Frage, hmm?

     

    Nicht das ich je die Hoffnung hätte, das ihr Politdödel die Möglichkeit begreifen werdet, noch die Gefahr, dass hier ein solches Geschenk ein paar Idioten für ein paar dämliche Dollar zum Fraß vorgeworfen wird. Vor allem da ihr ja selber gern ein paar Extrahebel einbauen möchtet. Macht euch Angst soviel Selbstständigkeit? Am Ende werdet ihr wohl noch überflüssig?

  • A
    arribert

    Vor verschlüsselten Festplatten kann ich nur warnen, so schlau sind die auch. Dann wird die Einreise verweigert, wenn man das Passwort nicht rausrückt. Ich schätze, dass die per bootfähigem USB-Stick ein paar Tools über die Kiste laufen lassen.

    Was allerdings bei einer verschlüsselten Partition schwierig wird, diese wird ja einfach nicht angezeigt. Aber jedes entsprechende z.b. Partitonsprogramm erkennt diese Partitionen. Dann geht die Fragerei erst richtig los.

     

    Man kann auch statt eines nackten Notebooks, einfach eine Standardinstallation eines beliebigen Betriebssystemes aufspielen, keine persönlichen Dateien, diese kann man dann bei erster Gelegenheit sich aus seiner Onlinefestplatte (dropbox, ubuntu-one, gmx ...) herunterladen. Dabei sollte es sich halt nicht um Gigabytes an Daten handeln, aber wenn man mal ein paar Tage auf seine Raubkopien verzichtet wird man das schon verkraften.

  • C
    Christian

    Laptopkontrollen, und dann? Muss ich für alle Musik auf meinem Rechner dann Kaufbelege mitführen oder reicht es, wenn ich vorher den Namen der Releasegroup lösche? Experten bei der Arbeit -- fröhliches Verhandeln noch.

  • A
    Axladero

    @ shizzobi

     

    Das ist nicht sonderlich schlau. Bei der Einreise in die USA werden z.B. schon seit Jahren Notebooks einfach, auch ohne Begründung, konfisziert und einbehalten.

    Mit einer verschlüsselter HD geben Sie dehnen zusätzlich noch einen Grund und sehen Ihr Notebook mit Sicherheit nicht mehr wieder.

  • S
    Sinon

    @shizzobi: dafür gibt's in GB schon beugehaft, das ist also nur ne frage der zeit, bis sie das auch in D einführen

  • K
    Klingelhella

    Die Notebook-Kontrollen an Grenzen sind im Zeitalter von Online-Festplatten mit Filesharing-Möglichkeiten oder verschlüsselten Platten mit plausible deniability komplett witzlos.

     

    Zweitens sind das ja sehr gruselige Zustände im Europaparlament, wenn sogar die Abgeordneten quasi auf wikileaks o.ä. whistleblower angewiesen sind, um einer Debatte folgen zu können. Erinnert fatal an Strukturen wie das Zentralkommittee in der UdSSR.

  • C
    Claus

    @shizzobi

     

    Naja, das dauert dann bestimmt wie immer bei Computern die im Rahmen irgendwelcher Untersuchungen beschlagnahmt werden 6 Monate, und wer seinen Kram verschlüsselt hat, waret nochmal 6 :D

     

    Aber was zur Hölle soll das bringen, selbst wenn ich meinen Kram weiterhin unverschlüsselt auf der Festplatte hab? Sicherungskopien sind (noch) erlaubt, und der Großteil der Musik auf meinem Laptop ist auch in CD-Form in meinem Besitz und nur aus Faulheits- und Mobilitätsgründen (und der Angst die CDs zu verlieren, zu verkratzen oder auszuleihen und erstmal nciht wiederzubekommen ^^) auf der Festplatte - Viel Spass beim überprüfen, welche Musik ich auch noch als CD rumfliegen hab und welche nicht...

     

    Schön, dass Leute die Ahnung haben Gesetze machen *facepalm*

  • S
    @shizzobi

    Das ist das geringste Problem, dann wird einfach das Passwort verlangt, sonst keine Einreise. Problem solved. Klingt krass, ist gängige Praxis.

  • V
    Vieluntwegs

    Ich finds ehrlich gesagt schon ziemlich hart dass ich einen leeren Laptop mit in die USA nehmen muss und mir dann dort die benötigten Daten per verschlüsseltem VPN rüberholen muss. Wenn dies nun auch in der EU so wird.. na gute Nacht.

  • S
    shizzobi

    Notebookkontrollen an den Grenzen. LMAO viel Spass mit meiner verschlüsselten HD meine Damen und Herren vom Zoll.

  • A
    Andy

    Nanu? Politik die nicht transparent ist?? Wie ungewöhnlich...