Handball in Schleswig-Holstein: Jarpwed, Glümu, Tawa
In Schleswig-Holstein liebt man Handball. Spitzensport gibt es in Kiel und Flensburg, die Basis spielt in den Dorfvereinen mit lustig klingenden Namen.
Handball war der Sport des Dorfes. In der Stadt wurde Fußball gespielt. So, wie sich das gehörte, obwohl wir den Bundesligafußball nur aus der „Sportschau“ kannten, während der Handball in Form von TSB Flensburg, dann der SG Weiche-Handewitt und dem THW Kiel sowieso in der obersten Liga repräsentiert war.
Vierzig Jahre später haben sich manche Handballvereine einen dritten Partner hinzugenommen, um ausreichend Spielerinnen und Spieler zu haben: HSG Ostenfeld-Wittbek-Winnert. HSG Fockbek-Nübbel-Alt Duvenstedt. Gerade an der Westküste in Nordfriesland oder Dithmarschen sind die Wege weit, kaum ein Verein stemmt die Nachwuchsabteilung mehr allein, Klubs tun sich zusammen, und der Handballverband des Landes (HVSH) hat neue Spielformen entwickelt, damit gerade kleine Kinder nicht für ein Spiel den ganzen Sonntag unterwegs sind; Hin- und Rückspiele an einem Tag, Turnierformen. Handball ist ein beliebter Sport in Schleswig-Holstein, aber auch er hat Nachwuchssorgen.
Und doch ist es das stärkste Bundesland der Welt, was den Handball betrifft. Abzulesen war das in einmaliger Form 2007, als die SG Flensburg-Handewitt und der THW Kiel die Champions League unter sich ausmachten (Kiel gewann). Dabei trägt die SG ihre dörflichen Wurzeln ja stolz im Vereinsnamen, und Turnverein Hassee-Winterbek klingt auch nicht nach großer weiter Welt. Vor Jahren wollte der frühere SG-Manager Thorsten Storm (später auch in Kiel) der SG mal das „Handewitt“ aus dem Vereinsnamen streichen – klang zu provinziell. Er erntete nur einen Sturm der Entrüstung.
Die Politik lässt sich sehen
Bei den Derbys, oder wenn es gerade passt, waren und sind die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zu Gast. Heide Simonis (SPD) häufig in Kiel, aus Proporzgründen auch mal mit SG-Schal in der Campushalle, heute Flens-Arena. Als sei ihr das Ganze zu bierklebrig-verschwitzt, blieb sie immer etwas auf Abstand zum liebsten Sport ihrer Landeskinder. Peter Harry Carstensen (CDU) passte mit seiner jovialen Art gut zum Handball, hätte sich aber beim Tauziehen oder Boxen genauso wohlgefühlt. Er war der Typ Zuschauer, der am Ende fragt: „Wer hat gewonnen?“, dafür aber viele neue Freundinnen und Freunde gefunden hat.
Bei Daniel Günther (CDU) wirkte alles durchdachter, aber nicht kalkuliert – weil er als ehemaliger Handballer Street Credibility hat. Mit dem Wohnsitz Eckernförde lebt er samt Familie mitten im THW-Kernland und man spürt, dass ihm die Kieler mehr am Herzen liegen als die SG – Günther bemüht sich aber um einen Interessenausgleich, ohne dass es aufgesetzt wirkt.
Keine klebrige Verbindung
Man kann es als Politiker aber auch so machen wie Robert Habeck. Er wohnte in Flensburg unweit der Duburghalle, wo die Profis der SG trainieren. Und seine Söhne spielten bei der SG an der Schwelle zum Leistungssport. Der grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sitzt (oder besser gesagt saß) gern ohne Personenschutz in der Flens-Arena und trug wie selbstverständlich sein SG-Trikot. Dass ihm die Flensburger mehr am Herzen liegen, verschweigt er nicht.
Eine allzu klebrige Verbindung sind die Politik und der Handball in Schleswig-Holstein nie eingegangen. Eher im Gegenteil – beim seit Langem auf Eis liegenden Umbau der in die Jahre gekommenen Flens-Arena ist die kommunale Politik eher Hemmschuh für die SG, als dass sie den Sympathieträger als Image- und Wirtschaftsfaktor der nördlichsten Region Deutschlands belohnt. Auf Landesebene stoßen THW und SG bei Daniel Günther hingegen häufig auf offene Ohren. SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke hat einen guten Draht in die Staatskanzlei; manche unbürokratische Hilfe in der ganz harten Coronazeit hat den Profiklubs gutgetan. Das leidige Thema Auslastung der Hallen hat Günther einige Male zur Chefsache erklärt – im Sinne der Klubs. Auf die Landesregierung bezogen fühlen sich beide Vereine durchaus gesehen.
Abwesenheit von Spitzenfußball half
Ein paar grundsätzliche Dinge haben dazu geführt, dass das Land zwischen den Meeren zum Maß der Dinge im Handball geworden ist. Da war die Abwesenheit von Fußball, von Spitzenfußball. Holstein in den Siebzigern, der VfB Lübeck in den Nullerjahren, aber viel mehr war da nicht, bis die KSV sich wieder auf die Landkarte der Bundesliga setzte. Unternehmen begriffen, dass sie mit einem niedrigen sechsstelligen Betrag Hauptsponsor eines Champions-League-Siegers werden können.
Lange Jahre hatte die Provinzial-Versicherung sogar beide Topklubs unter Vertrag, und in Flensburg war man immer beleidigt, dass der THW mehr Geld bekam. Inzwischen haben sich die Flensburger mit ihren etwa 8 Millionen Euro Etat den 12 Millionen des THW angenähert. Beide gehören zur Spitze in Deutschland, was Gehaltszahlungen betrifft. Jahr für Jahr bekommen sie ihre Lizenzen ohne Auflagen oder Bedingungen. In der Vereinsführung gelten sie als mustergültig, was zukünftigen Erfolg wahrscheinlich macht.
Nähe zu Dänemark
Die Nähe zu Dänemark hat dem Norden den Übergang vom Feld- zum Hallenhandball in den 60er-Jahren erleichtert. Wegen des langen Winters bauten die Dänen schon damals Hallenkomplexe, um die Kinder zum Hallenhandball zu holen. Dieses Vorbild fand in Schleswig-Holstein Nachahmung, und zu jedem neu gebauten Schulzentrum auf dem Dorf gehörte eine anständige Halle. Eine gute Infrastruktur hilft eben immer. Sie hilft bis heute.
Und ab den 90er-Jahren halfen dann die Erfolge. Der THW holte nach langer Pause die nächsten Meisterschaften. Die SG eiferte nach und gewann vor 25 Jahren erstmals den Europapokal. In Lübeck blühte der Handball auf, als Bad Schwartau in die Hansehalle wechselte. Als dritte Kraft im Land hatten die Bad Schwartauer immer wieder Stammspieler, die für Kiel oder Flensburg zu jung oder zu schlecht waren. Idole wuchsen heran. Die Schweden Magnus Wislander und Staffan Olsson bei Kiel. Jan Holpert in Flensburg. Bis heute ist das so. Jim Gottfridsson bei der SG. Sander Sagosen beim THW.
Handball bleibt im Gespräch
Da, wo eine Stetigkeit des Erfolges ist, bleibt der Handball im Gespräch, bleibt beliebt, die Hallen sind voll besetzt. Und an der Westküste und im Landesinneren um Rendsburg eiferten und eifern Kinder den Vorbildern nach und lassen sich von ihren Eltern die weiten Wege nach Flensburg in die Akademie im strukturschwachen Norden der Stadt oder nach Kiel ins moderne NLZ in Altenholz fahren.
Einmal im Jahr weicht die SG-A-Jugend für ein Bundesliga-Heimspiel nach Heide oder Husum aus, um dort für sich und die Nachwuchsarbeit zu werben. Dass die beim THW oder der SG angelernten Nachwuchsspieler meist nicht gut genug sind, um in der Profiabteilung Fuß zu fassen, gehört leider auch zur Wahrheit – sie müssen ihr Glück bei einem kleineren Bundesligaklub oder in der zweiten Liga versuchen.
Wie wenig präsent Handball damals in Flensburg noch war, haben wir in der Schule gemerkt, wo der ewige Dreiklang Fußball-Leichtathletik-Turnen höchstens mal durch Volleyball aufgelockert wurde, nie durch Handball. Und so habe ich Handball lange geringgeschätzt, dachte immer, ein bisschen den Ball werfen, das könne doch jeder. Das dachte ich so lange, bis ich mich ins Handballtor stellte und mir mein Freund Reinhard auf dem Gummiplatz an der Schule 10 von 7 Siebenmetern reinwarf. Wir waren 13 oder 14 Jahre alt. Er spielte beim TSV Jarplund-Weding.
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