Handball-WM der Männer: Die sehr guten Dänen
Bislang spielt Co-Gastgeber und Titelverteidiger Dänemark stark auf. Es liegt an der Mischung von alten und neuen Stars. Und an viel guter Laune.
Es gibt Bilder, die Simon Pytlicks neue Rolle in der dänischen Handball-Nationalmannschaft verdeutlichen: Er steht vor der Kabine und klatscht mit jedem seiner Kollegen ab, bevor sie sich auf den Weg in die Halle machen. Es wirkt noch etwas ungewohnt, denn jahrelang warteten Mikkel Hansen und Niklas Landin hier. Doch die beiden haben aufgehört. Andere sind an die Spitze der Hierarchie gerückt – Simon Pytlick, Mathias Gidsel und der neue Kapitän Magnus Saugstrup.
Bisher hat sich das frische Gerüst der erfolgsverwöhnten Dänen bewährt. Drei überzeugende Siege gegen Algerien (31:21), Tunesien (47:22) und Italien (39:20) am Samstag erfreuten die 12.000 Menschen in der „Jyske Bank Box“ in Herning. Ab Dienstag geht es in der Hauptrunde mit stärkeren Gegnern weiter, unter ihnen die Deutschen.
Derzeit wirkt es, als könnte die Dänen auf dem Weg zur vierten Weltmeisterschaft hintereinander nichts stoppen. Doch auch in Spielen, die wie Spaziergänge anmuteten, verlangt Trainer Nicolaj Jacobsen höchste Konzentration. Bis zehn Minuten vor Schluss lässt er seine erste Sieben ran, erst dann bekommen andere Gelegenheit, sich zu zeigen – was auch gelingt. Dieser Kader wirkt auch ohne Mikkel Hansen und Niklas Landin herausragend in Spitze und Breite. Aber ist das alles, was man braucht?
Mathias Gidsel, dänischer Rückraumspieler
Die Dänen sind bekannt für eine zugleich familiäre und leistungsfördernde Atmosphäre. Nach Spielen stehen vier Profis bis kurz vor 23 Uhr in der großen Fanzone und geben bereitwillig Autogramme, lassen unzählige Selfies mit sich machen. Der Schulterschluss zwischen Mannschaft und Fans ist einzigartig.
Dabei richten sich alle Blicke auf den zerbrechlich wirkenden Gidsel: Er soll nicht nur auf dem Parkett vorangehen. „Ich kann mich nicht mehr hinter Landin verstecken“, sagt der 25-Jährige, „ich muss nun auch daran arbeiten, dass wir eine Gemeinschaft bleiben. Ich muss mehr darstellen, als meine eigene Leistung – ich war bisher zu sehr der Junge aus Westjütland, der sich um sich selbst gekümmert hat.“ Was wie eine Selbstanklage des derzeit weltbesten Handballspielers klingt, ist im Kern das Streben nach Höherem. Als ihm nach der WM 2021 alles zu viel wurde, hatte Gidsel dafür psychologische Hilfe angenommen.
Gutes Klima, sehr gute Leistung
Der dritte bisherige Leader, der 40-jährige Abwehrchef Henrik Möllgaard, macht zwar noch weiter, wird aber nach dieser Saison aufhören. In einem Interview verriet er, dass er weniger sagen, diskutieren, gestalten wolle, um den Neuaufbau nicht mit „alten Gedanken“ zu bremsen.
Die Leistungskultur dieser vielseitigen, schnellen und vor Ideen sprühenden Mannschaft ist enorm. Kreisläufer Magnus Saugstrup ist vom Einsatz her ein Vorbild. Er führt die historische Linie dänischer Abwehrspieler weiter. Er scherzt und redet gern, nimmt andere in den Arm, hat keine Berührungsängste. „Aber es wird nochmal etwas anderes sein, wenn er Reden zum Geburtstag, für die Neuen und zum Abschied halten muss“, sagt Möllgaard, „er muss erkennen, wenn jemand einen schlechten Tag hat, und entsprechend reagieren.“ Aufgaben, die vorher Landin und Hansen zukamen.
„Unsere gesamte Teamkultur hatte sehr viel mit den beiden zu tun“, sagt Trainer Jacobsen. Eine neue Rangordnung muss sich finden. Extra dafür haben die Dänen wie bei den Olympischen Spielen einen Teampsychologen dabei, der lange für den besten dänischen Fußballklub gearbeitet hat, den FC Kopenhagen. „Wir müssen uns weiterentwickeln, was das Teambuilding angeht“, sagte Jacobsen in einem Interview, „dafür brauchen wir ihn.“
Bisher trägt das alte Gerüst mit den neuen Anführern noch sehr gut. Die Ausfälle von Rasmus Lauge und Thomas Arnoldsen reguliert Jacobsen mit dem Berliner Lasse Andersson als Spielmacher. Die Tore tragen verlässlich Pytlick und Gidsel bei, und Linksaußen Emil Jacobsen von der SG Flensburg-Handewitt bringt die Fans mit seinen akrobatischen Einlagen zum Staunen. Wie tragfähig der innere Zusammenhalt dieser Mannschaft ist, wird das weitere Turnier zeigen – aktuell wirken diese Dänen wie der alte und neue Weltmeister. Auch ohne Mikkel Hansen und Niklas Landin.
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