Handball-Bundesliga: THW Kiel feiert Meisterjubiläum
Nach einem enttäuschenden vierten Platz in der Champions League und dem Ausscheiden im DHB-Pokal holen sich die Kieler die Bundesliga-Meisterschaft.
HAMBURG taz | In Fräcken, weißen Hemden und schwarzen Fliegen stehen sie auf dem Kieler Rathausbalkon. Gerade haben die Handballer des THW Kiel die Deutsche Meisterschaft gewonnen - zum 20. Mal in der Vereinsgeschichte. Kapitän Filip Jicha reckt die silberne Meisterschale in die Höhe, stößt einen Jubelschrei aus.
Linksaußen Dominik Klein grölt „Deutscher Meister ist nur der THW, nur der THW“ in ein Mikro. Das Team hat sich „in Schale geworfen“, aber die rund 15.000 Handball-Fans auf dem Platz kommen nicht so recht in Schwung. Dabei hatte der THW das finale Heimspiel gegen den TBV Lemgo souverän mit 33:29 Toren (18:12) gewonnen. Große Handballkunst war das nicht, aber die Zebras gerieten nicht ein einziges Mal in Rückstand.
Viele der 10.250 Zuschauer in der ausverkauften Arena, die mal Ostseehalle hieß, riefen im Chor: „Die Nummer eins im Land sind wir!“ Und bereits kurz nach der Halbzeitpause verteilte der Verein Meisterschalen aus Pappe an seine Fans. Das Spiel gegen den Tabellenfünfzehnten war eine Saisonabschluss-Show für den alten und neuen Meister. Die Rivalen um Platz eins, die Rhein-Neckar Löwen, gewannen gleichzeitig mit 32:27 (17:15) gegen den SC Magdeburg, hatten aber nur noch eine theoretische Chance auf den Titel - wenn Kiel verlöre.
Doch THW-Trainer Alfred Gislason, der schon im Vorfeld des Spiels zum Trainer der Saison ernannt wurde, konnte es sich sogar leisten, Kapitän Jicha zu schonen, der gerade eine Schambeinentzündung auskuriert. Minuten vor Abpfiff gaben die THW-Fans ihren Spielern Standing Ovations. Sie jubelten ausgelassen, als die ersten Sektkorken knallten, noch bevor Ex-THW-Manager und aktueller Präsident der Handball-Bundesliga, Uwe Schwenker, alle Medaillen um die Hälse der Spieler gelegt hatte. Der Lärmpegel stieg noch, als sich Jicha während eines TV-Interviews von hinten an Trainer Gislason schlich und ihm aus einem Riesenweizenglas eine Bierdusche verpasste und er flaute nicht ab, als die besten Momente der sechs Spieler über den Videowürfel an der Decke flackerten, die den THW in dieser Saison verlassen. Darunter ist auch Spitzentorwart Andreas Palicka, der hier nur „Palle“ genannt wird und die zweifelhafte Angewohnheit hat, in sein eigenes Tor zu spucken. Es scheint ihm Glück gebracht zu haben. Den extralangen Beifall bekommt er sicher nicht für seine Manieren, sondern für die überragende Leistung in dieser Saison.
Der THW hat bereits einen neuen Mann für das Tor engagiert: den Dänen Niklas Landin von den Rhein-Neckar Löwen. Für Dominik Klein, der wegen eines Kreuzbandrisses ausfällt, kommt Torsten Jansen vom HSV.
Die Verletzung Kleins war nicht der einzige Rückschlag für die erfolgsverwöhnte Mannschaft in dieser Saison. Im Final Four der Champions League landete der THW nur auf Platz vier und im DHB-Pokal schied das Team schon im Viertelfinale gegen die Löwen aus. Die Meisterschaft war der letzte verbliebene Titel der Saison - und das Minimalziel.
So jedenfalls die Stimmung auf dem unweit der Halle gelegenen Rathausplatz: Die Euphorie von den steilen Rängen ist hier verflogen. Die vom Moderator auf der großen Bühne angeleiteten Test-La-Ola-Wellen ebben schnell ab. Klein hat auf dem Rathausbalkon noch immer das Mikro in der Hand, er stimmt jetzt „Aber scheiß drauf, Rathaus ist nur einmal im Jahr“ an. Der Funke will nicht überspringen. Dann endlich fällt ihm ein Spruch ein, mit dem er die handballverrückten Kieler kriegt: „Wer nicht hüpft, der kommt aus Flensburg!“ Und die Menge springt.
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