Handball-Bundesliga: Spielrausch an der Förde

Die SG Flensburg-Handewitt startet mit einem deutlichen Sieg über Wetzlar in die Rückrunde und rüstet sich für den Angriff auf die Tabellenspitze - zuletzt nicht selbstverständlich.

Nächster Abgang: SG-Keeper Dan Beutler steht bald im Tor des HSV Hamburg. Bild: imago

Ob es nun an Weihnachten lag, am Glatteis oder am unbefriedigenden sechsten Tabellenplatz: Die Publikumsränge der "Hölle Nord" wiesen beim Spiel der SG Flensburg-Handewitt gegen die HSG Wetzlar ungewohnte Lücken auf. Etliche Plätze waren leer beim 42:22-Kantersieg der Gastgeber. Einen neuen Zuschauer indes hat SG-Geschäftsführer Holger Kaiser für die kommende Spielzeit schon fest im Visier. "Ich habe überlegt, Bundestrainer Heiner Brand eine Dauerkarte zu schicken", sagte Kaiser zur taz.

Jahrelang belieferten die Flensburger hauptsächlich die skandinavischen Auswahlmannschaften mit Spielern. Ab kommendem Sommer aber werden mit Kreisläufer Jacob Heinl und den an die Förde wechselnden Rückraumspielern Holger Glandorf und Lars Kaufmann nach langer Zeit wieder drei Nationalspieler in den Reihen der Flensburger stehen. "Das ist ein großes Ausrufezeichen hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der SG", freut sich Kaiser, der den Verein im letzten Jahr aus seiner größten Finanzkrise geführt hat.

Eben an dieser Zukunftsfähigkeit waren in letzter Zeit leise Zweifel angemeldet worden, nachdem die SG nicht nur den Anschluss an die Tabellenspitze verloren hat, sondern im immer schneller sich drehenden Spielerkarussell Schritt halten muss mit deutlich finanzkräftigeren Vereinen. Hatte sich der Abgang der Rückraumspieler Oscar Carlén und Lasse Boesen schon länger angebahnt, kam die Meldung des bevorstehenden Wechsels von Torwart Dan Beutler nach Hamburg doch überraschend. Für Beutler präsentierte die SG gestern mit dem Großwallstädter Mathias Andersson einen erstklassigen Nachfolger.

Ihre Spitzenpositionen in der Handball-Bundesliga gefestigt haben nach gutem Start in die Rückrunde der HSV Hamburg und Rekordmeister THW Kiel: Die Hamburger setzten sich am Samstag mit 30:25 (14:12) gegen Frisch Auf Göppingen durch und nahmen damit vor 10.946 Zuschauern Revanche für die 30:32-Schlappe zu Saisonbeginn. Mit dem 17. Sieg in Serie und 34:2 Punkten sind die Hamburger unangefochtener Liga-Tabellenführer. Auf Platz drei der Tabelle liegen mit 29:7 Punkten die Kieler, die am Sonntag bei der TSG Friesenheim ein ungefährdetes 39:29 (19:12) erzielten. (dpa/taz)

Ebenbürtigen Ersatz scheint Kaiser auch auf der Trainerposition gefunden zu haben: Monatelang war darüber spekuliert worden, ob Trainer Per Carlén am Saisonende zum HSV Hamburg gehen würde. Als der Schwede kein eindeutiges Bekenntnis zur SG abgab, wurde er - nach einigem vereinsinternen Gerangel - Anfang November durch seinen Landsmann Ljubomir Vranjes ersetzt. Dieser Wunschkandidat Kaisers war zuvor als Sportdirektor und Co-Trainer tätig.

Vranjes hat bereits nach kurzer Amtszeit deutliche Akzente im spielerischen und taktischen Bereich gesetzt. Die Mannschaft lebt nicht mehr so sehr vom Kampf und den Tempogegenstößen, sondern erzielt wesentlich mehr Tore im Spiel 6 gegen 6. So erreichten die Flensburger in dieser turbulenten Umbruchphase immerhin das Achtelfinale der Champions League und im DHB-Pokal die fast sichere Final Four-Teilnahme.

Auch der angestrebte Platz unter den ersten vier Mannschaften in der Bundesliga ist für die SG-Verantwortlichen noch nicht abgeschrieben. "Früher haben wir allein mit Kiel die Spitze gebildet", sagt Holger Kaiser. "Heute haben sich mit dem HSV und den Rhein-Neckar Löwen zwei Clubs dazwischen geschoben, die von Mäzenen abhängig sind. Aber Mäzen-Clubs sind temporäre Erscheinungen. Wir setzen die Kraft der Tradition und Region dagegen und werden wieder im Konzert der Großen mitspielen."

Das Spiel gegen Wetzlar an diesem Sonntag bot allerdings wenig Anhaltspunkte dafür, wie realistisch dieses Ziel ist: Zu deutlich war der Tabellenzwölfte aus Hessen unterlegen. Die SG steigerte sich geradezu in einen Spielrausch hinein. Immerhin konnte Trainer Vranjes auch dem 2. Torwart Sören Rasmussen 60 Minuten Spielpraxis gewähren - und den Rekonvaleszenten Michael Knudsen, der Treffer Nummer 40 markierte, weiter in die Mannschaft integrieren. Das launige Publikum wiederum konnte etliche Feiertags-Zaubereien am Kreis bejubeln.

Ein ernster zu nehmender Test wartet zwei Tage vor Silvester beim Tabellennachbarn aus Magdeburg, gegen den es im Hinspiel eine nicht überraschende Heimniederlage gab. Anschließend schwärmen Flensburgs Nationalspieler erstmal aus und treffen sich im Januar wieder: bei der WM in Schweden. Für Flensburgs Jacob Heinl wohl die letzte Reise ganz allein zum Bundestrainer.

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