Gedenken an Hanau-Anschlag: SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Die Mutter des ermordeten Sedat Gürbüz hat die kommunale Koalition in Hanau kritisiert. Nun will diese das Gedenken so nicht mehr zulassen.
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„Ich werde bestraft, weil ich mich nicht beuge“, kritisiert Emis Gürbüz, die Mutter, des ermordeten Sedat Gürbüz, die Erklärung der Koalition. Diese hatte sich in einer Pressemitteilung am Freitag gegen die Mutter des Ermordeten gewandt.
Darin heißt es, Gürbüz habe sich bei der Gedenkveranstaltung „mit schockierenden Äußerungen zu Wort gemeldet“. Tatsächlich hatte sie in ihrer Rede erklärt, dass „die Stadt Hanau die Verantwortung für den 19. Februar 2020“ trage und „schuldig“ sei. Der Täter habe vor seiner Tat Briefe geschrieben, die ignoriert worden seien. Zudem sei gegen die verschlossene Notausgangstür am Tatort nichts unternommen worden.
„Die Fehler, Versäumnisse und Fahrlässigkeiten der Stadt Hanau haben neun jungen Menschen das Leben gekostet“, hatte Gürbüz am Mittwoch gesagt und eine Verantwortungsübernahme gefordert. „Hätte die Stadt ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt, wären diese Kinder heute am Leben.“
Die Koalition wirft Gürbüz „Agitation“ vor
Stattdessen schreiben die Hanauer Politiker in der Pressemitteilung, auch mit dem „furchtbaren Tod ihres Sohnes Sedat“ sei „nicht jede Rede von Frau Gürbüz zu rechtfertigen“. Sie werfen ihr vor, das „Gedenken zur politischen Agitation genutzt“ zu haben.
„Bei allem Verständnis für die Trauer“ verlangte der Vorsitzende der Hanauer FDP-Fraktion, Henrik Statz, „Respekt und Achtung gegenüber Bund, Land, Stadt sowie den anderen Opferfamilien“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Pascal Reddig warf Gürbüz vor, die Gedenkveranstaltung genutzt zu haben, um „rückwärtsgewandt zu spalten und die schreckliche Tat zu instrumentalisieren“. Für die Zukunft stellte die Koalition klar, es werde derlei Gedenkveranstaltung in Hanau nicht mehr geben.
Falschbehauptung der Koalition über Gürbüz
Darüber hinaus wirft die Koalition aus SPD, CDU und FDP Emis Gürbüz vor, bei der Premiere des Films „Das Deutsche Volk“ auf der Berlinale gesagt zu haben, dass sie Deutschland, Hanau und den Hanauer Oberbürgermeister hasse. Das wies Gürbüz zurück. Dass eine derartige Aussage nicht gefallen sei, bestätigten auf Nachfrage der taz weitere Premieren-Gäste.
Gürbüz selbst sagt dazu: „Ich habe mich immer bei allen Deutschen, die mich seit Jahren begleiten, von ganzem Herzen bedankt.“ Es mache sie betroffen, dass man sich weiterhin so mit ihr beschäftige, nach dem ihr Kind ermordet wurde. „Was wollen sie von mir noch?“, fragt sie.
Vermischung mit Privatangelegenheiten
Die Koalition merkte an, dass Gürbüz aktuell die deutsche Staatsbürgerschaft beantrage, und stellte die Frage: „Warum sie bei einer derartigen Gefühlslage die deutsche Staatsbürgerschaft beantrage, bleibt wohl ihr Geheimnis.“ Die Betroffene kritisierte, dass ihr privates Anliegen thematisiert werde.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Ute Schwarzenberger erklärte zudem, sie wünsche „Frau Gürbüz die Kraft, ihren Hass zu überwinden, um sich künftig respektvoll zu äußern“.
Armin Kurtović, dessen Sohn Hamza Kurtović ebenfalls bei dem Anschlag am 19. Februar 2020 in Hanau ermordet wurde, kritisierte die kommunale Koalition scharf. „Anstatt die Verantwortung für ihr Versagen zu übernehmen, startet der Oberbürgermeister mit dem Magistrat eine Gegenoffensive – wie immer“, sagte Kurtović der taz.
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