Hamburgs neue Enagementkarte: Peanuts für die Engagierten

Hamburg will freiwilliges Engagement würdigen. Aber viel mehr als Rabatt auf Tanzkurse und Axtwerfen bietet die neue Engagementkarte nicht.

Ein Junge und eine Frau sitzen nebeneinander an einem Schultisch und schauen gemeinsam in ein Buch

Ohne die Ehrenamtlichen sähe es nicht nur bei der Leseförderung mau aus Foto: Maja Hitij/dpa

Hamburg hat eine Engagement-Karte entwickelt, die freiwilligen Einsatz würdigen und fördern soll. Das ist schön. Wer nachweisen kann, ein Jahr lang mindestens 100 Stunden ehrenamtlich tätig gewesen zu sein, kann die sogenannte ­Engagement-Karte bekommen. Schade nur, dass daraus eine magere Variante der Budni-Aldi-Ikea-wasauchimmer-Rabattkarte geworden ist. Eine kostenlose Werbeplattform für ein paar Hamburgische Unternehmen.

Damit ist Hamburg auf dem Stand, den Berlin seit 14 Jahren hat, wenn auch mit interessanteren Angeboten. In Hamburg hat sich keines der großen Museen oder Theater bequemt, aber das ist Kleingedrucktes. Das Großgedruckte ist, dass sich hier eins zu eins spiegelt, was in Sonntagsreden und Meinungsumfragen beklagt wird: die mangelnde Wertschätzung fürs Ehrenamt.

Warum fällt Hamburg nicht mehr ein, als die Nachfrage für Tanzschulen und Gondel-Unternehmen anzukurbeln? Warum nicht da gucken, wo es für mehr Leute interessant und für die Stadt kostenpflichtig wird? Ein günstigeres, oder Gott bewahre, ein kostenloses HVV-­Ticket? Kostenlose Mitgliedschaft in der Bücherhalle? Schweigen im städtischen Wald.

Und das ist der Stand nach ganzen zehn Jahren Beschäftigung mit einer Engagementstrategie in Hamburg. Es scheint, dass einige Kraft darein geflossen ist, eine sprachliche Alternative zum Ehrenamt zu finden. Danach blieb wenig, um gedanklich auf mehr als 20 Prozent Nachlass im Escaperoom zu kommen.

Allgemeine Phantasielosigkeit

Das ist bemerkenswert in einer Zeit, in der ­Ehrenamtliche Tätigkeiten übernehmen, die theoretisch ein Plus zu den staatlichen Kernaufgaben sind und praktisch essentiell: als Men­to­r:in­nen an den Schulen, als Menschen, die Säuglinge in der Klinik auf den Arm nehmen, um ihnen Körperkontakt zu geben, als Hel­fe­r:in­nen im Katastrophenschutz.

Es scheint, dass auch die anderen Bundesländer keine besseren Konzepte haben. Aber muss dies das Ende der Fahnenstange sein? Wie wäre es etwa, einen Blick auf die Stellschraube Zeit zu werfen? Derzeit bekommen nur Ehrenamtliche in der Jugendarbeit und im Katastrophenschutz Sonderurlaub. Alle, die sich in anderen Bereichen engagieren, müssen hoffen, dass ihr Arbeitgeber social days oder corporate volunteering fancy findet.

Die Stadt will Engagement von Hamburger Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fördern, so steht es in der Hamburger Engagementstrategie. Und wie? „Neben der Umsetzung vielfältiger Engagementformen in der Arbeitszeit spielen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Engagement eine immer stärkere Rolle“, heißt es gleichermaßen schön und vage. Wenn hier stattdessen eine Gesetzesinitiative stünde, die vielfältige Formen von Ehrenamt mit Zeitausgleich honoriert, wäre tatsächlich mehr gewonnen als der Rabatt beim Axtwerfen.

Auch egal, könnte man sagen, dass die Stadt hier die Corona-Pflegekräfte-Applaus-Strategie verfolgt. Schließlich vermissen in den Umfragen vor allem diejenigen Anerkennung für Freiwillige, die sich selbst nicht engagieren. Den Engagierten scheint die intrinsische ­Motivation zu genügen – mehr ist ja auch nicht im Angebot für sie. Und natürlich kann man sich darauf verlassen. Aber dann sollte man Peanuts nicht Förderung nennen.

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