piwik no script img

Hamburgs Ex-Bürgermeister VoscherauKonservativer mit Bürgerappeal

Stets von tadellosem Äußeren, immer etwas forsch und belehrend im Ton: Der verstorbene Altbürgermeister war ein Mann der Prinzipien.

Henning Voscherau im Jahr 2011 Foto: dpa

Hamburg taz | Wer in Hamburg Bürgermeister, also auch Chef eines Bundeslandes werden will, sollte über exzellente Verwaltungskenntnisse verfügen, darf aber nicht wie ein Beamtenschwengel aussehen oder bei öffentlichen Auftritten auch nur daran erinnern, eigentlich ein gehoben gebildeter Ärmelschoner zu sein. Henning Voscherau, Sohn eines Schauspielers und der hanseatischen Bühnenkultur verbunden, hatte diese Aura verinnerlicht.

Stets von tadellosem Äußeren, immer etwas forsch und belehrend im Ton: Dieser Mann war prädestiniert, den Posten des Bürgermeisters zu bekleiden – denn er vermochte eben immer, wie eine Art Reeder oder Kapitän Ausstrahlung zu entfalten.

Am 8. Juni 1988 war es so weit: Der 1941 gebürtige Hamburger beerbte Klaus von Dohnanyi auf dem Bürgermeisterstuhl. Fortan galt in Hamburg wieder das politische Hygienegesetz: Mit den Grünen niemals. Voscherau – und mit ihm weite Teile seiner biestrig-pfründenverteidigenden sozialdemokratischen Partei – verabscheute die Ökos, er mochte deren informelle Art nicht, er, der selbst als Notar einen ihm gemäßen Beruf ergriffen hatte.

Wenn Voscherau Anhänger der Grünen schätze, dann nicht weil, sondern obwohl sie aus den alternativen Szenen kamen. Viel zu kleinteilig, pflegte er über die Ansprüche der ökologischen Opposition zu sprechen, als seien sie ungehörig und kleinkrämerisch.

Voscherau, ein Mann der in der Tat feinen, keineswegs leutseligen Diktion, trat 1997 nach einer Bürgerschaftswahl von seinem Posten zurück: Er sollte mit den Grünen koalieren, er wollte lieber mit der Wut- und Mäkelbürgerformation von der Statt Partei. Nein, da hatte er Ehre – das wollte er sich nicht antun.

Aber eine Erbschaft hat er doch hinterlassen: Auf ihn geht die Hafencity zurück, ein neuer Stadtteil an der Elbe, der bis dahin zur EU-zollfreien Union gehörte. Ein Milliardenprojekt inklusive Elbphilarmonie ist das bis heute. Voscherau blieb einflussreich in seiner Partei, ein Konservativer mit Bürgerappeal, ein glühender Sozialdemokrat der so gar nicht jusohaft-rebellischen Sorte. In der Nacht zum Dienstag ist er im Alter von 75 Jahren an den Folgen einer Hirntumorerkrankung gestorben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Vorscherau hat selber das Wort "Härte" gebraucht, um eine gute Regierungspolitik zu umschreiben und da ist was dran. In einem Intrigantenstadl wie der Hamburger Landespolitik macht es Sinn, mit Härte gegen die vielen Querschießer vorzugehen, die dort ihr Unwesen treiben.

     

    Andererseits hat Vorscherau bereits 1988 die Zeit verschlafen, war ein Mann mit Konzepten aus der Vergangenheit und hat eine SPD-Linie gefahren, die nach CDU roch. Die GAL hat er bitter bekämpft, bis er darüber gefallen ist. Er konnte im Kontrast zu seinem Vorgänger keine links-liberale Offenheit radieren, sondern einen Mief, der sich aus dem Hockey-Club im feinen Wellingsbüttel und der Rückständigkeit von Parteiversammlungen in Wandsbek speiste.

     

    Was wirklich Positiv an ihm war, dass er keine Mühe hat viel zu arbeiten und sich Unterlagen durchzulesen, das war dann für den Nachfolger Ole von Beust nicht mehr möglich. Insofern haben einige Nachfolger ihm sehr viel mehr Glanz verliehen, als er das m.M. tatsächlich bewirkt hätte.

     

    Leider würde ich sagen, dass Vorscherau eine 70er Jahre Rechts-SPD in der Regierung konservieren wollte und dadurch viele Jahre ergebnislos verstrichen sind. Dass seine Nachfolger es offenkundig nicht besser können, macht das nicht besser. Scholz macht jetzt ja sogar eine Melange aus FDP, CDU und SPD - noch mehr Markt, weniger Ausgleich - das Ende einer sozialen Stadt, die es bei Vorscherau gab. Außerdem war Vorscherau von der Nachkriegszeit geprägt - er hätte nicht auf arme Menschen abgehasst, wie das Gerd Schröder oder Siegmar Gabriel in der Agenda gemacht haben, die Vorscherau aber begrüßt hat.

  • [...]

     

    Die Moderation: Der Beitrag wurde gelöscht. Bitte beachten Sie die Netiquette.