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Hamburger NachwuchsbandCharme des Garstigen

Viel drastischer als üblich: Das junge Hamburger Duo Schnipo Schranke spielt sich mit einem Patchwork aus Pop und Provokation in die Herzen.

Liebe kann rau sein: Schnipo Schranke. Bild: Promo

Blockflöte, Keyboard und Drums: Das Instrumentarium des Hamburger Mädchen-Duos Schnipo Schranke ist ein Durcheinander. Drunter und drüber reimen Daniela Reis und Fritzi Ernst auch ihre Texte: „Komm in meine Arme/In meinem Mund/Nimm mich an der Hand/Nimm mich an der Wand“. Sie arbeiten mit Tabus und Provokation und trotzdem muss man grinsen.

Auch wegen des Textes ihres Hits „Pisse“. Seine Protagonistin wird von ihrem Freund verlassen, sie war ihm zu peinlich und zu derb. So derb, dass es ihr nichts ausmacht, von ihrem nach Urin riechenden Genitalbereich zu singen. Ihre Musik ist ein scharfsinnig-subversives Patchwork aus Chanson, Punk und HipHop-Prahlerei. Ihre lauten, androgynen Stimmen klingen rau und rotzig.

Obwohl die Songs eingängig sind, sprengen Schnipo Schranke den üblichen Rahmen von Songwriting schon allein durch ihre Drastik. Weiblichen Stereotypen entsprechen sie in keiner Weise.

Raffinierte Zitate

Konzerte

29. 8. „West Germany“, Berlin; 19. 9. „Musikpalast“, Flensburg; 26. 9. „Cobra Bar“, Hamburg, wird fortgesetzt.

Ihre Textwelten kombinieren raffiniert Elemente aus der Lektüre der Illustrierten Neon, die Ästhetik von Pizzaservice-Flyern und Charlotte Roches Schreibstil. Vielleicht gelten die beiden deshalb als feministisch, eine Zuschreibung, die Schnipo Schranke selbst ablehnen.

Sie sagen: „Hass schürt sich am leichtesten gegen Bitches“, und beweisen damit, dass es durchaus möglich ist, sich von einem passiven, zahmen und schüchternen Frauenbild zu lösen und trotzdem meilenweit vom dogmatischen Feminismus entfernt zu sein. Wer unrasiert ist, muss ja nicht umgehend an Geschlechtergleichheit glauben. Oder anders gesagt: Wer nicht antifeministisch ist, kann trotzdem keck sein. Und wer Körperideale ablehnt, ist nicht gleich antisexistisch. Schnipo Schranke sind daher kaum entlang von Dichotomien kategorisierbar.

Den Charme des Garstigen beherrschen sie perfekt. Auf die Frage nach ihrem ausstehenden Debütalbum erwidern die beiden schnippisch: „Wenn wir eine LP haben, wird man diese auch erwerben können.“ Liebenswürdig macht sie ihre Liebe zu Harry Potter und die Geschichte der Namensfindung: „Fritzi schrieb ’Schnipo‘ wie ihr Lieblingsgericht Spaghetti Bolognese, Daniela ’Schranke‘ wie das Brett in unseren Köpfen. Weil das zusammen nach einem geilen Bandnamen klang, begannen die beiden gemeinsam Tracks zu recorden.“

Es sind stets Uptempo-Songs und ihre assoziativen Texte handeln von Fuck-Buddies, Lebenskrisen, oder Wertschätzung von Taxifahrer_innen. Und immer mit einem Augenzwinkern à la „Küss mich da, wo die Sonne nie scheint“.

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