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Hamburger Hafen wird AusstellungsortGlobalisierung reif fürs Museum

Hamburg soll ein Deutsches Hafenmuseum bekommen. Es soll Originalschauplätze mit einem Neubau verbinden – und wird viel teurer als gedacht.

Geschichte zum Anfassen: Der Viermaster „Peking“ liegt im Hamburger Hafen neben alten Kränen Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Hamburg taz | Nach der Elbphilharmonie klingeln nun bei einem weiteren Hamburger Wahrzeichen die Alarmglocken: Für das Deutsche Hafenmuseum, das Ende des Jahrzehnts eröffnet werden soll, hat der Bundesrechnungshof vor einer Vervielfachung der Kosten gewarnt. Fast eine halbe Milliarde Euro könnte das Projekt kosten, schreibt er in einem aktuellen Prüfbericht. Dem Bund empfiehlt er, die Förderung des Vorhabens zu beenden.

Das Hamburger Hafenmuseum soll aus drei Teilen bestehen: An historischen Kaianlagen soll gezeigt werden, wie aufwändig in der Vergangenheit Waren umgeschlagen wurden. Ein restaurierter Hamburger Veermaster führt seine Besucher in die Segelschiffwelt und ein Neubau soll sich anhand der Häfen mit der Globalisierung befassen.

Das Schöne für Hamburg: Bezahlen wollte die Errichtung des Museums alleine der Bund. Eingefädelt haben das die vormaligen Hamburger Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse (CDU) und Johannes Kahrs (SPD) – schließlich soll es ja ein Museum für die ganze Nation werden. 120 Millionen Euro beschloss der Deutsche Bundestag 2015 dafür auszugeben. 2019 gab es einen Nachschlag von 65,5 Millionen Euro.

Nun hat sich herausgestellt, dass auch das nicht reicht. Bei den Hamburger Haushaltsberatungen Mitte Dezember soll die Bürgerschaft weitere 98 Millionen Euro bereitstellen, was den Kostenrahmen auf 283,5 Millionen Euro erweitert. „Diese Summe ist der maximale Kostendeckel, auf dessen Einhaltung wir konsequent achten“, versprach die Grünen-Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg.

Ihr SPD-Kollege Dirk Kienscherf wies darauf hin, dass die 98 Millionen Euro Gegenfinanzierung aus Hamburg auch die Voraussetzung dafür seien, dass überhaupt weiteres Geld vom Bund fließt. Dass der Bund so ein Projekt komplett finanziere, komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, schreibt der Rechnungshof, und zwar insbesondere dann nicht, wenn der Zuwendungsempfänger, also Hamburg, davon wirtschaftlich profitiere. Dass die Stadt das Grundstück einbringe, zähle nicht.

Ein „kultureller Leuchtturm“

Nun ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Stadtstaat ein Eigeninteresse an solch einem Museum hat. Denn das Hafenmuseum soll, wie die Stadt selbst schreibt, als „kultureller Leuchtturm“ für den neuen Stadtteil Grasbrook fungieren, der auf ehemaligen Hafenflächen geplant ist. Die Grundstücke will die Stadt „rentierlich“ ­vermarkten. Eine Sehenswürdigkeit würde helfen, die Grundstücke aufzuwerten.

Zugleich kann ein Haus, das „die Relevanz deutscher Häfen in Geschichte und Gegenwart“ vermitteln soll, durchaus als im nationalen Interesse liegend betrachtet werden. Hier käme der selbst ernannte „Exportweltmeister“ zu sich selbst – und zwar passenderweise musealisierend: in dem Augenblick nämlich, in dem die aktuelle Welle der Globalisierung in die Krise zu rutschen scheint.

„In erster Linie wird es ein Museum des globalen Handels“, hat der Gründungsdirektor Klaus Bernhard Staubermann vor einem Jahr der taz angekündigt. Das umfasse auch Themen wie Migration, Kolonialisierung und Dekolonialisierung. Die Themen sollen auch digital, barrierefrei und klimaneutral vermittelt werden. Alles, was man sich so wünschen kann.

Der rot-grüne Senat wurde im Frühjahr auf Anfrage der CDU konkreter: So soll es in dem Museum nicht nur um Globalisierung gehen, sondern auch um den Hafen als Arbeitswelt, die kulturhistorische Bedeutung des Hamburger Hafens für die Stadt sowie Werften und Schiffbau.

Ensemble alter Schuppen

Zu sehen und anzufassen sind solche Dinge schon heute, sie stehen mitten im Hamburger Hafen. Dort hat sich die private Stiftung Hamburg Maritim ein Ensemble alter Schuppen gesichert und an die städtische Stiftung Historische Museen Hamburg vermietet. Diese zur besseren Auffindbarkeit nummerierten „50er“ Schuppen waren up to date in der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg.

Bei der damals modernsten Form des Güterumschlages konnten Seeschiffe direkt am Kai anlegen. Halbportalkräne hoben die Waren aus den Schiffen und setzten sie entweder direkt auf unter den Kränen haltende Züge oder auf Rampen. Von dort aus wurden die Ballen und Kisten in die Schuppen gekarrt, zwischengelagert, umsortiert und auf der gegenüberliegenden Seite auf Waggons oder Lastwagen geladen.

Vor den Schuppen ist dieses Arrangement noch zu sehen: Dort liegt der 1957 gebaute Stückgutfrachter „Bleichen“ am Kai, auf dem eine kleine Lok mit ein paar Wagen unter hoch aufragenden Kränen hält.

Vor den Schuppen steht aber auch einer der ersten Straddle oder Van Carrier aus dem Jahr 1975 – ein Fahrzeug, das breitbeinig über einen Containerstapel fahren und sich eine Box greifen kann. Der Fahrer sitzt hoch oben in einer Glaskanzel. Der orangefarbene „VC2“ steht für den Beginn des modernen Güterumschlages, bei dem nur noch Container hin und her gestapelt werden. Ganze Lastwagenladungen lassen sich so mit einem Arbeitsgang vom Schiff holen, auf einen Sattelschlepper oder die Bahn verladen und wegfahren.

Alles gesammelt

Die meisten Exponate des Museums – rund 10.000 – befinden sich im Inneren des denkmalgeschützten Schuppens 50A, der als Schaudepot fungiert. Ehrenamtliche des Vereins Hafenkultur, vor allem ehemalige Hafenarbeiter, haben hier zusammen mit Mitarbeitern des Hamburger Museums der Arbeit alles gesammelt, was mit der Arbeit im Hafen zu tun hat: vom Scheffel, mit dem der Kornumstecher die Fracht prüfte, bis zur Schiffssteuerungsanlage.

Es gibt hier ein Plexiglasmodell des komplexen Innenlebens eines Containerschiffs ebenso zu sehen wie einen Ewer, ein kleines Binnenschiff unter Segeln. Die Ehrenamtlichen haben auch die analoge Pegelanzeige gerettet, an der in Hamburg ein- und ausfahrenden Schiffsbesatzungen ablesen konnten, wie viel Dezimeter Wasser über dem Kartennull sie zur Verfügung hatten.

Es gibt eine Originallotsenstube von 1895 aus Brunsbüttel, in der die Lotsen bis 2007 warteten, um Schiffe durch den Nord-Ostsee-Kanal zu geleiten. Dazu kommt regaleweise Zeug, dessen Funktion sich mal mehr, mal weniger erschließt. Sackkarren, Taucheranzüge, Mess- und Wägegeräte, grobschlächtige Maschinenteile.

Das Highlight, Prunkstück – oder wie es die Museumsmacher nennen: „Leitobjekt“ – der Ausstellung ist draußen am Kai festgemacht: die Viermastbark „Peking“, 1911 für die Hamburger Reederei Laeisz erbaut, als die Segelschiffzeit ihrer Vollendung und zugleich ihrem Ende entgegenging.

Schnelle Segelschiffe

Sie ist einer von vier übrig gebliebenen und in Schifffahrtskreisen berühmten Flying-P-Linern, schnelle, effiziente Segelschiffe, die es mit Dampfern aufnehmen konnten. Traurige Berühmtheit erlangte das Schwesterschiff „Pamir“, das 1957 in einem Hurrikan unterging. 80 der 86 Besatzungsmitglieder kamen ums Leben, darunter viele junge Kadetten.

Die „Peking“ brachte bis 1932 Salpeter, etwa für die Herstellung von Schießpulver, und Guano – Dünger aus Vogelmist – von Chile nach Europa. 34-mal hat sie dabei das gefährliche Kap Hoorn umrundet. Nach einer Zeit als Wohnschiff in England wurde sie nach New York verkauft, wo sie vor Manhattan als Museumsschiff zu besichtigen war. 2017 wurde die schrottreife „Peking“ von einem Dockschiff huckepack nach Deutschland gebracht, auf Betreiben der Stiftung Hamburg Maritim und finanziert aus dem Topf für das Deutsche Hafenmuseum, den der Bundestag 2015 beschlossen hatte.

wochentaz

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An die 38 Millionen Euro der Fördersumme sind bisher in den Transport und die Restaurierung der „Peking“ geflossen. Die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nannte sie ein „Symbol für die frühe Globalisierung und ein maritimes Kulturgut von nationaler Bedeutung“. Der Plan ist, das Schiff an den Grasbrook zu verlegen, sobald der dortige Museumsneubau fertig ist.

Der Rechnungshof findet, der Bund solle es bei der Förderung der Schiffsrestaurierung belassen. Das Schiff erziele „für sich allein als Kulturprojekt museale Wirkung“. Das hierfür ausgegebene Geld wäre auch bei einem Stopp des übrigen Projekts nicht verloren. Dafür würde der Bund aber das Risiko vermeiden, Geld nachschießen zu müssen oder am Ende mit einer Förderruine dazustehen.

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2 Kommentare

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  • Vielleicht sollte man überlegen, die verschiedenen Museen der maritimen Wirtschaft ( Auswanderermuseum , maritimes Museum., Gewürzmuseum, Zollmuseum und ...)



    konzentriert an einen Standort , Deutsches Hafenmuseum+Schuppen 52, zusammenführen. Das würde die Kosten senken (Unterhalt) und die Investition rechtfertigen.

    • @Joen:

      Das zwei ihrer Museen privat, eins eine öffentlich private Partnerschaft, und eins ein nationales Museum ist, und letzteres soweit ich weiß über ein Bundesministerium finanziert wird, ist ihnen schon klar? Meines Erachtens nach ist ihr Vorschlag somit wohl eher realitätsfremder „Unsinn“.

      Als Person die in Hamburg lebt, kann ich auch nachvollziehen, wenn da jetzt vom Bund die Reißleine gezogen werden sollte. Ebenso bin ich auch dagegen, das die Stadt sich finanziell beteiligt, sofern nicht vorher z.b. ernsthaft eine Verkleinerung des Projekts, zur Einhaltung des Kostenrahmens in Betracht gezogen wurde.



      Wobei man von mir aus Mehrkosten, vor Realisierung, in Form von Spenden zusammensammeln könnte, dann müsste aber auch die Aussage von Jennifer Jasberg, bzgl. der Einschätzung der maximalen Kosten zu 100% Stimmen. Worauf ich ganz sicher nicht wetten würde, zumal die 185,5 Mio. vom Bund + 98 Mio. über Hamburg ja nur 283,5 Mio. von sich anbahnenden 500 Mio. des Prüfberichts abdecken würden.