Hamburger Finanzrochaden: Im Schatten des Haushalts
Um nicht gegen die Schuldenbremse zu verstoßen, hat Hamburg seine öffentlichen Beteiligungen in eine Holdinggesellschaft ausgelagert.
Im Fall des „Paloma-Viertels“ soll der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) einspringen. Der Senat hatte dieses städtische Unternehmen 2013 gegründet. Bis dahin wurde in einer Liegenschaftsverwaltung lediglich verwaltet, seither wird gestaltet, freut sich LIG-Chef Thomas Schuster in seinem Geschäftsbericht. LIG handelt nun „marktnah, marktkonform und marktorientiert“. Entsprechend wird nach den Regeln bilanziert, wie sie für private Kapitalgesellschaften gelten. 2018 betrug die Bilanzsumme über fünf Milliarden Euro. Allerdings gelten für Landesbetriebe die öffentlichen Haushaltsgrundsätze – und damit die Schuldenbremse.
Immerhin ist der Schuldenstand der Stadt trotz der ein Jahrzehnt lang guten Konjunktur – insbesondere im Zusammenhang mit der HSH Nordbank – lange gestiegen. Und der kostspielige „Personalkörper“ der Stadt wächst weiter, sagt der Direktor des Rechnungshofes, Philipp Häfner.
Für geplante Großprojekte wie den Schnellbahnausbau, den Klinikneubau in Altona oder den Hochschulausbau werden in den kommenden Jahren viele Milliarden Euro aufzubringen sein. „Finanzieller Spielraum für Neues besteht darüber hinaus nicht“, warf Häfner kürzlich einen skeptischen Blick in die Zukunft.
Schattenhaushalt von Scholz
Die im Jahr 2009 vom Bund beschlossene Schuldenbremse verbietet ab 2020 den Bundesländern im Normalfall, öffentliche Investitionen über die Aufnahme von Krediten zu finanzieren. Eigentlich.
Um auch in schlechteren Zeiten handlungsfähig zu bleiben, hatte der rot-grüne Senat unter Olaf Scholz (SPD) vorgesorgt und sich eine Art Schattenhaushalt geschaffen. Ein großer Teil des öffentlichen Engagements – vom Hafen bis zum Wohnbau – wurde in einer Holdinggesellschaft gebündelt. Sie hat wie jede private Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) grundsätzlich Zugang zum Kapitalmarkt – und kann daher weitgehend unabhängig vom öffentlichen Haushalt wirtschaften.
Die „HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH“ ist so zur Konzernholding der Hansestadt aufgestiegen, in der fast alle Beteiligungen (Airbus, Hapag-Lloyd), Immobilien und öffentliche Unternehmen gebündelt sind: Hochbahn, Hafenbetreiber HHLA, Investitionsbank IFB, Immobiliengesellschaften SAGA und Sprinkenhof, Vattenfall Wärme und weitere. 22.000 Beschäftigte der HGV erwirtschaften eine jährliche Bilanzsumme von über 15 Milliarden Euro (2018). Eine Summe, die in etwa dem Umfang des regulären Hamburger Haushaltes 2020 entspricht.
Selbst aus Sicht des Bundes der Steuerzahler ist dies unproblematisch. „Durch die kaufmännische Haushaltsführung der Stadt wird den Bürgerinnen und Bürgern die größtmögliche Transparenz geboten“, lobt deren haushaltspolitische Sprecherin Sabine Glawe. Die Zeiten, in denen sich der Blick der Öffentlichkeit ausschließlich auf den Kernhaushalt richtete und die HGV somit oft außen vor war, seien durch die „Doppik“ vorbei. Das Kürzel steht für doppelte Buchführung in Konten. Vor drei Jahren hatte der Senat erstmals einen 250-seitigen Konzernabschluss vorgelegt, der sich an kaufmännischen Regeln ausrichtet – und nicht mehr an der klassischen Kameralistik einer Behörde.
Es blieb dabei weitgehend unbeachtet, dass die HGV 2016 auch die Geschäfte des „Sondervermögens Schulbau“ übernommen hat – dieses ist Eigentümer der Grundstücke und Gebäude und vermietet die Schulen an die Schulbehörde. Dieses Mieter-Vermieter-Modell verschafft dem Senat weitere finanzielle Spielräume. 1.200 Beschäftigte kümmern sich um Neubau, Sanierung, Instandhaltung und Bewirtschaftung von rund drei Millionen Quadratmetern. „Wir haben damit die Planung und Bewirtschaftung von Schulgebäuden völlig neu organisiert“, freut sich Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Schulbau Hamburg sei mittlerweile bundesweit die Blaupause dafür, wie gute Lernorte „effizient“ geschaffen werden könnten. Gerade wurde der Bau von 130 Sporthallen beschlossen.
Hamburg ein Vorbild
Der Bremer Professor Rudolf Hickel hat sich mit den Schuldenbremsen, die fast alle Länder in ihren Verfassungen verankert haben, beschäftigt. Das Hamburger Konzern-Modell sieht der Gründer der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ als Vorbild für eine Politik, die sich dennoch wirtschaftspolitische Spielräume erhalten will.
Statt sich in umstrittene Öffentlich-Private-Partnerschaften zu flüchten, schafften „Staatlich-Öffentliche-Partnerschaften“ Spielraum für Investitionen. Damit werde der öffentliche Kapitalstock gestärkt und die ökonomische Wertschöpfungsbasis, „von der künftige Generationen profitieren werden“, sagt Hickel.
Im Unterschied zu Bremen stehe in Hamburg mit der HGV eine Beteiligungsgesellschaft zur Verfügung, um die Schuldenbremse zu umschiffen. Politik sollte in der Lage sein, mahnt Hickel, das zu tun, was selbst unter dem Regime der Schuldenbremse in der Landesverfassung möglich ist, beispielsweise den Bau des „Paloma-Viertels“.
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