Hamburger Energieversorgung ohne Kohle: Der Plan für den Ausstieg steht

Das Hamburger Kraftwerk Tiefstack soll ab Ende des Jahrzehnts Wärme ohne Kohle erzeugen. Nun hat Umweltsenator Kerstan das Konzept dafür vorgestellt.

Ein Laster mit Steinkohle

Mus bald nicht mehr nach Hamburg transportiert werden: Steinkohle Foto: Cerrejon/dpa

HAMBURG taz | Bis alles umgesetzt ist, was Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Freitagvormittag verkündete, wird es zwar noch mindestens sechs, vielleicht sogar acht Jahre dauern. Dennoch kam er bei seiner Präsentation in einem Nebengebäude des Hamburger Heizkraftwerks Tiefstack nicht ohne eine Reihe von Superlativen aus. Statt Steinkohle zu verbrennen soll hier ab Ende des Jahrzehnts zum großen Teil klimaneutral Energie erzeugt werden; Hamburgs Kohleausstieg würde damit vollendet. „Für mich ist das heute ein besonderer Tag“, sagte Kerstan.

Strom, vor allem aber Wärme produziert das kommunale Kraftwerk am Tiefstack im Osten der Stadt. Rund 500.000 Wohnungen werden in Hamburg mit lokaler Fernwärme des städtischen Unternehmens Hamburger Energiewerke (HEW) zum Heizen und zur Warmwasserbereitung versorgt. Die Wärme wird dafür bislang vor allem durch das Verbrennen von Steinkohle erzeugt, überwiegend im Kraftwerk Tiefstack.

Doch künftig soll ein Bündel von klimafreundlichen Maßnahmen die Kohle ersetzen. Herzstück der Transformation sind dabei zwei Flusswasser-Wärmepumpen. Sie sollen aus der Elbe und dem Nebenfluss Bille Wärme gewinnen und sie über das Kraftwerk ins Fernwärmenetz speisen. Die Pumpen würden die Hälfte der machbaren 460 Megawatt Erzeugungsleistung des Kraftwerks ausmachen.

Außerdem soll Abwärme umliegender Industriebetriebe genutzt und eine Power-to-Heat-Anlage gebaut werden, die durch Windstrom Wärme produziert. Auch aus der Müllverbrennung soll Energie gewonnen werden.

Es wird weiter verbrannt

Doch ganz ohne Haken ist die rosige Zukunft nicht, die Kerstan und Christian Heine, Geschäftsführer der kommunalen HEW, präsentierten. Zwar wird Kohle künftig nicht mehr verbrannt. Ohne das Verbrennen von Biomasse sei die Versorgungssicherheit aber nicht zu gewährleisten. „Ohne Biomasse geht`s nicht“, sagte Kerstan – oder alternativ Erdgas. Rund 25 Prozent dürfte der Anteil dieser klimaschädlichen Erzeugung dann betragen. Allerdings können Um­welt­schüt­ze­r:in­nen etwas aufatmen: Das Verbrennen von importiertem Buschgehölz aus Namibia ist – zumindest vorerst – vom Tisch.

„Das Projekt pausiert“, sagte Kerstan dazu schmallipig. Im vergangenen Jahr kochte die Debatte über den Sinn darüber hoch: Sollte wirklich über mehrere Tausend Kilometer hinweg überschüssiges Gehölz aus der namibischen Savanne auf Schiffen nach Hamburg gebracht werden, um es hier zur Energieerzeugung zu verbrennen?

„Dieses Konzept ist derzeit nicht mehr aktuell“, lautete Kerstans Botschaft. Stattdessen will die HEW einzig nicht mehr anders zu nutzende Biomasse verbrennen, wie etwa Totholz. Die CO2-Emissionen sollen sich jedenfalls von jährlich einer Million auf 200.000 bis 300.000 Tonnen reduzieren.

Doch ob alle diese Ideen so umgesetzt werden, ist noch nicht abschließend klar. Sie sind das Ergebnis eines einjährigen Entwicklungsprozesses, bei dem auch ein Beteiligungsgremium eingebunden war. Teil dieses Gremiums waren Ex­per­t:in­nen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, von den Gewerkschaften und Unternehmensverbänden sowie aus der Wissenschaft.

Umweltverbände nur bedingt zufrieden

Allerdings hatte etwa die Umweltorganisation Robin Wood die Bedingungen für das Gremium bereits zuvor kritisiert. So mussten alle Mitglieder Verschwiegenheitsklauseln unterzeichnen. „Der von der Umweltbehörde gestartete Beteiligungsprozess war so konzipiert, dass keine Transparenz, geschweige denn eine Partizipation der Zivilgesellschaft an Entscheidungen zur Umgestaltung der Wärmeversorgung, möglich war“, kritisierten Hamburger Umweltorganisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Und auch nach der Vorstellung herrscht kein einhelliger Jubel: „Hamburg ist auf dem richtigen Weg, um im Wärmesektor klimaneutral zu werden, geht diesen jedoch nicht konsequent“, sagt Lucas Schäfer, Geschäftsführer des BUND Hamburg. Die Flusswasser-Wärmepumpen treffen bei ihm auf Zustimmung, indes: „Hamburg sollte sich die Umrüstung von Tiefstack auf die Verbrennung von Holz- und Gas komplett sparen.“

Den Umweltsenator dürfte diese Kritik kaum überraschen – er hat sie vielmehr schon bei seiner Vorstellung mit eingespeist: „Das ist unser Vorschlag“, sagte Kerstan und schob nach: „Auch wenn wir es für ein tragfähiges Konzept halten, soll die öffentliche Diskussion darüber nun starten.“ Die mitregierende SPD jedenfalls scheint zunächst einverstanden: Das Konzept sei ein „Erfolg für Klimaziele, Wirtschaft und Wärmepreise“, teilte die Bürgerschaftsfraktion umgehend mit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.