Haltung von Weihnachtsgänsen: Gans gut
Supermarktketten verzichten auf Tiere, die gestopft oder lebend gerupft werden. Aber Bademöglichkeiten haben die Wasservögel immer noch nicht.
Die meisten Gänse werden zum Martinstag und in der Weihnachtszeit verspeist. Vier von fünf Tieren werden aus Polen oder Ungarn importiert. Im vergangenen Jahr kamen laut Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft nur 19 Prozent der 25.700 Tonnen hierzulande verbrauchten Gänsefleischs aus Deutschland. Hauptgrund dürfte der Preisunterschied sein: Bei Rewe etwa sind deutsche Gänse im Durchschnitt doppelt so teuer wie polnische. Ein deutscher 5-Kilogramm-Vogel kostet etwa 70 Euro.
Das liegt zum Beispiel an den niedrigeren Lohn- und Bodenkosten in Osteuropa. Lange machten dort Lieferanten deutscher Supermärkte aber auch zusätzlichen Profit durch das in der Bundesrepublik verbotene Zwangsstopfen, das zur Erzeugung von Fettlebern erforderlich ist. Westeuropäische Gourmets zahlen Spitzenpreise für die fragwürdige Delikatesse, die Rohstoff für die feine Gänseleberpastete „Pâté de foie gras“ ist. Dafür wird den Gänsen mehrmals täglich maschinell mit langen Stäben oder mit Druckluft ein Maisbrei in den Magen gepresst. Oft werden die Tiere auch lebendig – unter Schmerzen – gerupft, um ihre Federn zu verkaufen.
Vier Pfoten übte deshalb jahrelang auf Händler Druck aus, Gänse nur von Produzenten zu beziehen, die auf der „Positivliste“ der Organisation stehen. Diese soll Firmen nennen, die auf die Verarbeitung von Tieren aus der Stopfleberproduktion und Lebendrupf verzichten. Die Unternehmen haben laut Vier Pfoten umfangreichen unangemeldeten und unabhängigen Kontrollen zugestimmt. Verbraucher können anhand der aufgedruckten „EWG“-Nummern erkennen, ob Gänse von den gelisteten Unternehmen stammen.
Fleischkonsum reduzieren
Real beispielsweise gibt nun an, dass es seine Gänse entweder aus Deutschland oder von einem gelisteten Betrieb in Polen beziehe. Die Aldi-Nord-Einkäufer „orientieren“ sich immerhin an der Positivliste. „Zudem haben wir vertraglich in unseren Lieferkontrakten vereinbart, dass kein Fleisch und keine Daunen oder Federn aus Stopfmast oder Lebendrupf an uns geliefert bzw. in unseren Produkten verarbeitet werden.“
Also einfach die billigste Gans kaufen? Keinesfalls, heißt es bei Vier Pfoten. Die Stiftung rät generell dazu, den Fleischkonsum zu reduzieren und auch pflanzliche Alternativen zu probieren. Wer dennoch Gans essen will, sollte zu einem Biotier greifen. „In Betrieben mit dem EU-Biosiegel oder dem eines Anbauverbands sind die Haltungsbedingungen am besten“, sagt Schmidt. Zwar lebten auch konventionelle Gänse in der Regel in Freilandhaltung – im Gegensatz zu fast allen anderen Nutztieren, die ihr Leben im Stall verbringen müssen. „Gänse haben aber in herkömmlichen Betrieben meistens keinen Zugang zu Wasser“, so der Tierschützer. „Als Wassergeflügel brauchen die Tiere zur vollständigen Ausübung ihrer natürlichen Verhaltensweisen Wasser zum Baden.“ Die EU-Ökoverordnung schreibt deshalb eine Bademöglichkeit vor. Eine Biogans kostet oft 20 Euro pro Kilogramm – 40 Prozent mehr als eine deutsche konventionelle.
Besondere Vorsicht empfiehlt Schmidt in der Gastronomie. Restaurants beispielsweise müssen nämlich nicht offenlegen, aus welchen Betrieben ihre Gänse kommen. Problematisch könnten auch Fertiggerichte sein, da hier die Herkunftskennzeichnung für Fleisch nicht greift.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen