piwik no script img

Halbfinale Europa LeagueCaravan of Love

Dass Europa lieben möglich ist, haben die Fans von Eintracht Frankfurt gezeigt. Sogar die EU-Kommission hat sich bei dem Klub bedankt.

Ein Bus voll Liebe für Eintracht Frankfurt in London Foto: imago-images/Jan Hübner

Es ist Liebe. Mehr muss ein Fußballfan nicht sagen, wenn er erklären soll, dass er wieder mal weinen musste über seinen Herzensklub. Aus Freude. Aus Trauer. Egal.

Das muss Liebe sein, wird sich gedacht haben, wer verfolgt hat, wie die treuesten Anhänger von Eintracht Frankfurt in diesem Jahr durch Europa gereist sind. Zu Tausenden, zu Zehntausenden hatten sie sich aufgemacht nach Marseille, Rom, Mailand, Charkiw, Nikosia, Lissabon und London. Die Reise ist mit dem Halbfinalrückspiel zu Ende gegangen.

Der FC Chelsea konnte besser Elfmeterschießen beim Halbfinale in London. In Erinnerung bleiben wird die Saison des noblen FC Chelsea wohl nicht allzu lange, auch wenn er das Endspiel gewinnen sollte. In Erinnerung bleiben wird Eintracht Frankfurt – wegen der Liebe ihrer Fans zu Europa.

Mit einer im besten Sinne naiven Begeisterung sind die Frankfurter Fans durch den Kontinent gereist, haben jede Mannschaft, die zu Gast gekommen ist, mit einer Choreografie empfangen, die das Frankfurter Stadion zum Theater der ganz großen Gefühle gemacht hat. Natürlich hat die Mannschaft gut gespielt, sonst wäre sie nicht ins Halbfinale gekommen, aber die Hauptdarsteller dieser Frankfurter Europakampagne waren die Fans.

Eintracht ist Europa

Ihrem Feuer konnte sich kaum einer entziehen. Wegen der Frankfurter richteten sich alle Augen auf die Europa League, den zweitklassigen Wettbewerb der Uefa, das sonst wenig geliebte kleine Stiefgeschwisterchen der großen Champions League. Am Ende hat sogar die EU-Kommission kapiert, was sie an der Eintracht hat. Der Klub hatte ein Video veröffentlicht, in dem noch einmal Bilder von der verrückten und so von niemandem erwarteten Europatournee des Teams und ihrer Fans gezeigt werden.

„Living European Identity“, hieß es auf einer der Tafeln in dem Filmchen. Die blauen EU-Farben waren zu sehen und goldene Sternchen. „Eintracht Frankfurt is more than a football team. Eintracht is Europe“, lautete ein Tweet der EU-Kommission. Die Liebe der Frankfurter zu Europa war auch in Brüssel zu spüren. Ein Fußballkub war zum Hoffnungsträger des europäischen Gedankens geworden. Wer bislang vergeblich auf die Suche nach so etwas wie einer europäischen Identität war, in Frankfurt konnte er fündig werden.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Klar, da gibt es auch die einfache Geschichte. Die Geschichte eines Klubs, der nicht allzu viele Trophäen gesammelt hat in seiner Vereinsgeschichte. Der 30 Jahre nach dem letzten Erfolg im Vorjahr den DFB-Pokal mal wieder gewonnen hat. Der normalerweise nicht dabei ist, wenn es um die Qualifikation für die europäischen Wettbewerbe geht.

Der sich immer größer fühlte, als er war. Und der nun endlich mal rauskommt aus dem taubengrauen Mittelfeld der Bundesliga. Kein Wunder also, könnte man sagen, dass man sich in Frankfurt mehr über ein Spiel in Lissabon oder London freut als in München oder Dortmund. Aber was die Frankfurter Fans dann abgezogen haben, wie sie ihre Europakarawane inszeniert haben und wie sie selbst dann ihre Europalust nicht verloren haben, als sie von der Hessischen Polizei drangsaliert wurden, damit war dann doch nicht zu rechnen.

Es war eben echte Liebe. Zur Eintracht, zum Fußball und zu Europa, das die Fans so selbstverständlich durchstreift haben, als würde Charkiw gleich hinter dem Taunus liegen, als könnte man mit der S-Bahn nach Nikosia fahren.

Das Finale haben die Frankfurter nun verpasst. Dort spielen mit Arsenal und dem FC Chelsea zwei englische Klubs. Auch im Champions-League-Endpiel streiten sich mit dem FC Liverpool und Tottenham Hotspur zwei Teams aus England. Ausgerechnet, mag man sich denken in Zeiten des ewigen Brexits.

Aber der Fußball zeigt, dass Europa mehr ist als die EU. Das Finale der Europa League findet übrigens in Baku statt. Wie gerne hätten die Eintracht-Fans ihre herzerwärmende Tour in Aserbaidschan beendet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Eintracht & Fans: Ihr seid super!

    EU-Kommission: Deine Mutter ist Europa.

  • Ich habe immer noch in Erinnerung, wie dieser Verein in einer vergangenen Saison in einem aufopferungsvollen Spiel erst den Aufstieg perfekt machte, um dann einen Spieltag danach mit einer B Mannschaft eine grottige und lustlose Vorstellung zu geben. Um somit den Abstieg des vorherigen Gegners zu besiegeln und den zweiten zu retten, welcher laut direktem Vergleich eigentlich der Absteiger hätte sein müssen. Nicht zu vergessen die Randale im Stadion inklusive herausgerissener Sitze.

  • und wenn man dann noch die Spiele sieht, mit welcher Willens - und Leidenkraft sich die SGE die nur einen bruchteil des Spielerwerts von FC Chelsea hat - Der Verein gehört dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch , der seit 2003 1,77 Milliarden Euro in die Mannschaft gesteckt hat - dem favorisierten Clubs engegenbrachte, Chapeau. Ist doch mal was neues als das ewig arrogante Mir saan mir der Herren Hoeneß und Rummenigge