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Halbe-halbe, also DeuTür

„Der beste Zustand: Die sind da und wir sind da und es ist okay, es läuft gut so.“ Der Autor Birand Bingül über deutsch-türkisches Kuddelmuddel, Liebeskummer, Popliteratur und Tischtennis

Interview ULRICH NOLLER

taz: Zwischen Ihnen und Ihrem Protagonisten Hakim gibt es deutliche Parallelen. Ist „Ping. Pong.“ ein Tatsachenbericht aus dem Leben eines jungen Deutschtürken?

Birand Bingül: Natürlich ist Hakim als Figur an mir angelegt. Ich bin auch Deutschtürke, ich bin auch Radiomoderator, ich bin auch in dem Alter. Natürlich war ich auch mal verliebt, und natürlich hatte ich auch mal eine Pechsträhne. Aber was Hakim im Roman passiert, das ist erdacht. Das habe ich nicht erlebt, sondern erfunden.

Hakim hat eine ausgeprägte Leidenschaft für Tischtennis. Warum ausgerechnet Tischtennis?

Tischtennis ist eine Miniaturwelt. Ganz klein und gleichzeitig ganz schnell. Und Tischtennis ist ein toller Sport. Außerdem gibt er auf der bildlichen Ebene eine ganze Menge her: Als Parallelwelt, in der jeder von uns sich auf irgendeine Weise wiederfinden kann.

Geschichte, Konflikte, Erzählweise und sogar die Aufmachung Ihres Romans lassen einen unweigerlich an die vielzitierte Popliteratur denken. Ist „Ping. Pong.“ Popliteratur mit einem türkisch-deutschen Touch?

Ich will auf keinen Fall ein Popliterat sein, weil das nicht in mir steckt. Mir geht es nicht um Hipness oder Style, das ist nicht meine Welt. Nicht nur Innensicht, sondern Entwicklung; das führt über Popliteratur hinaus.

Zumindest im ersten Teil von „Ping. Pong.“ spielen Partys und coole Sprüche aber eine gewichtige Rolle …

Der Roman fängt sehr leicht und lustig an, in einer stakkatohaften Sprache, wird dann aber immer ernster. Und es passiert unterwegs etwas mit Hakim. Er hat so seine Erkenntnisse. Und am Ende ist es eine völlig andere Sprache – parallel dazu, dass er zu seinem Opa fährt, der im Sterben liegt und da am Bett sitzt. Dahinter steckt auch das Bemühen, als Schreibender eine Stimme zu finden, und diese Suche drückt sich auch in dem Buch aus. An dieser Stelle bin ich als Birand Bingül dem Helden Hakim auch am nächsten.

Welche Bedeutung hat Hakims türkische Herkunft für den Roman? Und welche Bedeutung hat Ihre türkische Herkunft für sie als Erzähler?

Ein Thema ist es auf jeden Fall. Aber ich wollte es nicht so einsetzen wie andere deutsch-türkische Autoren, die ihre türkische Herkunft furchtbar explizit herausstellen. Ich wollte einen neuen Schritt tun: Das Türkische spielt eine ganze Zeit lang überhaupt keine Rolle in dem Roman. Hakim flucht vielleicht mal auf Türkisch und hat einen ungewöhnlich klingenden Namen, aber ansonsten lebt er wie jeder andere auch. Ich wollte spiegeln, dass es im Zusammenleben nicht nur Probleme, Probleme, Probleme ohne Ende gibt. Sondern, dass viele Leute aus der Dritten Generation hier längst ihr Ding machen und ihre Herkunft auch von den Deutschen nicht mehr hinterfragt wird. Und das ist der beste Zustand, weil es der natürlichste ist: Die sind da und wir sind da und es ist okay, es läuft gut so.

Im zweiten Teil des Romans, wenn Hakim in die Türkei geht, wird das Motiv dennoch wesentlich wichtiger.

Ich wollte aber auf keinen Fall, dass es so eine „Back to the Roots“-Geschichte wird. Es ist für mich ein ganz wichtiger Punkt welche Bedeutung die Türkei für die Deutschtürken der dritten Generation heute noch hat. Bei Hakim ist die Türkei nicht mehr die klassische Hei

mat, sondern nur noch ein idealer Rückzugsort. Und das hat ganz stark mit Menschen zu tun: Er hat dort Verwandte, aber die könnten auch in jedem beliebigen anderen Land leben. Und wenn sie in Deutschland wären, dann würde er nicht in die Türkei, sondern zu den Verwandten nach Deutschland fahren.

Sind Sie nun ein deutscher, ein türkischer oder ein deutsch-türkischer Autor?

Ich habe mir angewöhnt, DeuTür zu sagen. Weil Deutschtürke immer vorgibt, man hätte den kompletten Kultursatz Deutscher und den kompletten Kultursatz Türke. Das ist aber nicht so. Ganz wenige beherrschen beide Sprachen in Wort und Schrift, ganz wenige können sich in beiden Gesellschaften anstandslos bewegen. Die meisten sind halbe-halbe, also DeuTür, und stückeln sich ihre Identität zusammen.

Sie arbeiten in „Ping. Pong.“ zum Teil mit türkisch-deutschen Gesprächsfetzen, die man als deutscher Leser eher intuitiv denn konkret begreift. Warum?

Es gab verschiedene Stellen, an denen es einfach unerlässlich war. Zum Beispiel, als Hakim sich mit seiner Mutter unterhält, das musste einfach dieses deutsch-türkische Kuddelmuddel sein.

Was an Ihnen ist Deu und was Tür?

Ich erlebe viele Sachen, bei denen ich erst hinterher sagen kann: Aha, da ist meine türkische Ader hochgekommen! Oder: An der Stelle war ich aber ganz schön deutsch! Ich bin zum Beispiel sehr pedantisch, auch beim Schreiben. Da bin ich dann auf einmal sehr deutsch. Andererseits: Wenn ich Ausländerfeindlichkeit mitbekomme, auch im Kleinen, dann bin ich plötzlich 100 Prozent Türke, nicht nur ein bisschen.

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