Halali vs. Artenschutz: Schweden auf Wolfsjagd
Tierschützer sind empört: Das skandinavische Land riskiert wegen der Hatz auf Wölfe sogar, von der Europäischen Kommission verklagt zu werden.
STOCKHOLM taz | Einen Winter lang hatten Schwedens Wölfe Ruhe. Doch am Freitag startete erneut eine Wolfsjagd. Zwar hat die Regierung diesmal nur 16 Tiere zum Abschuss freigegeben, aber Naturschutzorganisationen kritisieren die Entscheidung und haben die Justiz angerufen. Und die EU-Kommission droht Stockholm mit einer Klage wegen Verletzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Gemeinschaft: Wölfe gehören in der EU zu den akut vom Aussterben bedrohten Tieren.
Die schwedische Regierung begründet ihre erst Mitte der Woche kurzfristig bekannt gemachte und dann sofort umgesetzte Entscheidung mit der Absicht, der von Inzucht bedrohten einheimischen Wolfspopulation „frisches Blut“ zuführen zu wollen. Die Jäger wurden angewiesen, in ausgewählten Revieren jeweils die männlichen Alphatiere abzuschießen. Dadurch sollen sich andere männliche Tiere vermehren können, was den genetischen Status des Bestands verbessern solle.
Augenwischerei sei das, sagt der Naturschutzverband Naturskyddsföreningen: Die Wolfsjagd in den Jahren 2010 und 2011 habe bewiesen, dass es bloßer Zufall sei, welche Tiere abgeschossen würden. Die Regierung spiele „russisches Roulette“ und womöglich würden gerade die „genetisch wertvollen“ Tiere getötet. „Niemand kann etwas anderes garantieren“, sagt der Verbandsvorsitzende Mikael Karlsson: „Ich schäme mich immer mehr für die schwedische Umweltpolitik.“
Zusammen mit dem WWF hat der Naturschutzverband auch eine Klage gegen den Regierungsbeschluss eingereicht, über deren möglicherweise aufschiebende Wirkung das Verwaltungsgericht am Freitag aber noch nicht entschieden hatte.
EU-Umweltkommissar Janez Potonik hatte Stockholm erst vor wenigen Tagen erneut davor gewarnt, wieder eine Wolfsjagd zu erlauben. Brüssel habe Schweden wiederholt aufgefordert, zu erläutern, wie es sich den Schutz der einheimischen Wölfe vorstelle, aber seit Jahren keine befriedigende Antwort erhalten.
Umweltministerin Lena Ek hatte daraufhin erwidert, Ziel der Regierung sei ein kleiner, aber genetisch gesunder Wolfsbestand von rund 180 Tieren. Laut der meisten Experten ein nicht überlebensfähiger, da viel zu kleiner Bestand, der, so die EU-Kommission, auch „mit wissenschaftlichen Fakten nicht zu begründen“ sei.
Die schwedische Regierung habe offenbar die Habitatrichtlinie nicht verstanden, wirft Potonik Stockholm nun vor, bietet der Regierung konkret den Kontakt mit zwei juristischen Experten an und droht, die Kommission sei ansonsten gezwungen, Schweden zu verklagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut