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Häusliche Pflege während CoronaUngeklärte soziale Frage

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Der VdK fordert mehr Geld für die häusliche Pflege. Der Vergleich mit den Heimen ist aber problematisch.

Wer hilft im Notfall: Mann an der Bettkante versucht in den Rollstuhl zu steigen Foto: Kirsten Haarmann/Visum

I n Deutschland werden 2,1 Millionen Pflegebedürftige ausschließlich durch Angehörige zu Hause versorgt. Eine Studie des Sozialverbandes VdK hat jetzt bestätigt, dass diese häusliche Pflege in der Coronapandemie unter der Isolation, dem Wegfall von Angeboten und der Angst vor Ansteckungen besonders gelitten hat. Es ist richtig, wenn der Sozialverband VdK auch angesichts der Bundestagswahl darauf hinweist, dass diese pflegenden Angehörigen mehr Unterstützung brauchen.

Aber ein Detail stimmt nachdenklich. Der VdK fordert zu Recht eine automatische Dynamisierung des Pflegegeldes, also der Leistung, die Hochgebrechliche von den Pflegekassen bekommen und für die Angehörigen nutzen können. Der Verband will dies auf gerichtlichem Wege einklagen, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht. Das Geld war ja schon mal in Aussicht gestellt und werde jetzt „zweckentfremdet“ und „umgeleitet“, um „die Eigenanteile in der stationären Pflege zu bezuschussen“, rügt der Verband.

Der Konflikt lässt aufhorchen. Wenn VertreterInnen der ambulanten Pflege auf erhofftem Geld bestehen, das der Bundesgesundheitsminister in die Unterstützung von HeimbewohnerInnen steckt, dann treten hier Schwache ­gegen andere Schwache an. Gesundheitsminister Spahn könnte die Gruppen gegeneinander ausspielen: Tut mir leid, ihr Pflegehaushalte, ich brauche das Geld leider für die HeimbewohnerInnen.

Schwache werden immer dann gegen­einander ausgespielt, wenn Finanzierungsfragen gesellschaftlich nicht geklärt sind. So ist es auch bei der Pflege. Ab welchem Einkommen, ab welchem Vermögen sollen Pflegebedürftige sich mit welchen Summen an ihrer Versorgung beteiligen? Bis zu welchen Summen soll die Pflegekasse zahlen? Wie hoch dürfen Beiträge zur Pflegekasse sein? Alles nicht geklärt.

Pflege ist furchtbar teuer, sie wird uns noch viele Milliarden kosten. Wenn Betroffenengruppen mit dem Finger auf andere zeigen, ist das ein Warnsignal, dass die Finanzierungsdebatten im größeren Rahmen ehrlicher geführt werden müssen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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2 Kommentare

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  • wohin führt uns dieser Kommentar?

    • @Friderike Graebert:

      Alles wird schlimmer.