Häusliche Gewalt in Frankreich: Hilfe per Codewort und SMS-Alarm
Die Zahl der Hilferufe wegen häuslicher Gewalt steigt – das Land geht neue Wege. Sogar Polizisten kehren aus dem Ruhestand zur Verstärkung zurück.
Von Opfern direkt oder von Nachbarn alarmiert, musste die Pariser Polizei im Vergleich mit derselben Periode des Vorjahrs in der Hauptstadtregion fast doppelt so häufig wegen häuslicher Gewalt intervenieren. Wegen dieser steigenden Zahl von Hilfesuchenden wurden von der Polizei in mehreren Städten Ex-Beamte aufgeboten. In Lille beispielsweise sind derzeit vier Polizisten aus dem Ruhestand in den Aktivdienst zurückgekehrt, damit der Kontakt zu rund 200 Frauen nicht abbricht, die nach Kenntnis der Behörden besonders gefährdet sind.
Franck Bénéï, Pressesprecher des staatlich finanzierten Verbands der 106 Informationsstellen für Frauenrechte (CIDFF), befürchtet: „Viele Fälle und damit das Ausmaß der Problematik im Covid-19-Kontext werden erst nach dem Lockdown-Ende bekannt.“ Dem wollen die Behörden in Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen mit einem zusätzlichen Informations- und Kontaktangebot begegnen.
Zusätzlich zur Beratung auf der seit letztem Herbst existierenden telefonischen Plattform 3919 besteht nun die Möglichkeit, via SMS auf dem Notruf 114 oder direkt mit der Polizei-Alarmnummer 17 Alarm zu schlagen oder Hilfe zu verlangen. Weil dies auf diesem Weg für viele Opfer von Gewalt, die von ihren Peinigern überwacht werden, nicht immer einfach ist, bieten die CIDFF seit Kurzem in zahlreichen Einkaufszentren ihre diskrete Unterstützung an.
Codewort „Masque 19“
Was derzeit als Test läuft, könnte laut Bénéï zu einer festen Einrichtung werden. Auch in Apotheken können Frauen mit dem Codewort „Masque 19“ auf ihre Notlage aufmerksam machen. Das sei sehr effizient, sagt Bénéï der taz. Eine Bilanz mit Zahlen aber liege noch nicht vor.
Dass die Justiz während der Pandemie sehr verlangsamt funktioniert, kann dagegen zu einem Hindernis werden – auch wenn Justizministerin Nicole Belloubet versichert, die Verhandlung der Fälle häuslicher Gewalt und die richterliche Anordnung von Schutzmaßnahmen bleibe eine „Priorität“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen