piwik no script img

Hackerattacke auf US-MedienChinas Armee war's – vielleicht

China dementiert empört, für die Attacke auf die „New York Times“ verantwortlich zu sein. Die Zeitung präsentiert nun eine Analyse des Angriffs, die ihre Schwächen hat.

Welche finsteren Gestalten beobachten die „New York Times“? Bild: reuters

BERLIN taz | Der Schock war groß, als die New York Times entdecken musste, dass sie über mehrere Monate Ziel einer hochprofessionellen Hackerattacke war. Die Verdächtigen waren schnell ausgemacht: China soll für den virtuellen Einbruch verantwortlich sein.

Die Hacker hatten Rechner und E-Mail-Konten von Journalisten ausgespäht. Gleiches soll auch andere Medien wie die Washington Post und die israelische Zeitung Ha'aretz getroffen haben. Da den Betroffenen unter anderem eine kritische China-Berichterstattung gemein ist, erscheint die Vermutung, dass Peking hinter den Angriffen stecken könnte, nicht abwegig.

Inzwischen ist die Sache, glaubt man der New York Times, klar. Eine chinesische Armeeeinheit mit der Kennung 61398 soll sich in die Redaktionsrechner gehackt haben. Untermauert wird die Behauptung mit einer Studie der Sicherheitsfirma Mandiant, die auf 60 Seiten den mutmaßlichen Weg der Attacke darlegt. Sogar ein Foto des Sitzes der Militärspione, in einem Vorort in Shanghai, wird auf der Frontseite der Zeitung präsentiert.

US-Regierungsbehörden wollten sich zu den konkreten Vorgängen nicht äußern, bestätigten der Zeitung aber, dass sich das beschriebene Vorgehen mit ihren Erkenntnissen über die Arbeitsweise chinesischer Hacker decke. Chinesische Offizielle dementierten die Anwürfe empört als unhaltbar.

Nur eine Option

Zweifel an der Version der New York Times äußert der Sicherheitsanalyst Jeffrey Carr, der Firmen und Regierungsbehörden in Fragen der Internetsicherheit im asiatischen Raum berät. Er wirft Mandiant vor, nicht ergebnisoffen geforscht zu haben. Stattdessen sei die Firma von vorneherein davon ausgegangen, dass es sich um eine staatlich gesteuerte chinesische Attacke handele.

Unter dieser Prämisse habe man andere Spuren außer Acht gelassen und musste so zwangsläufig in dem unscheinbaren Shanghaier Hochhaus landen. Während also nicht auszuschließen sei, dass eine chinesische Behörde Auftraggeber des Hacks ist, ist diese Behauptung alles andere als sicher bestätigt.

Die Datenanalyse lege die Vermutung nahe, dass die Militäreinheit 61398 durchaus dazu in der Lage sei, die Rechner von US-Medien auszuspähen. Ebenfalls als gesichert könne gelten, dass China seine technischen Möglichkeiten zur Computerspionage nutze. Völlig unter den Tisch falle bei der Fixierung auf diese eine Option aber, dass nicht wenige andere Staaten und nicht zuletzt private Firmen und kriminelle Organisationen genau das gleiche tun könnten.

Die New York Times bleibt bei ihrer Version und stellt darüberhinaus die Verbindung zu anderen Attacken der letzten Jahre her, unter anderem auf Coca Cola und das kanadische Energie- und Rohstoffversorgungsnetz. Gleichzeitig deutete Präsident Barack Obama bei seiner Rede zur Lage der Nation an, dass der Kampf gegen Computerspionage und -kriegsführung eine Priorität seiner zweiten Amtszeit haben werde. Dass er dabei China nicht direkt erwähnte, kann wohl auf diplomatische Rücksichten zurückgeführt werden – oder auf eine Faktenlage, die nicht ganz so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheinen will.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • P
    Parzifal

    China überwacht das Internet und Medien, Europa überwacht seine BürgerInnen. Haben wir denn nicht schon unsere Freiheit an die eigenen Regierungen verloren? In einem gerade online gestellten Kurzvideo warnt der unabhängige EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser aus Österreich mit drastischen Bildern, dass unsere Freiheit im Sterben liegt. http://goo.gl/vMV79

    Ob uns das nicht mehr berühren sollte??

  • H
    Harald

    Anders als in vielen Berichten zu Hackerangriffen auf US-Medien und -Firmen zuvor, legt Mandiant konkrete Fakten auf den Tisch.

     

    Das Unternehmen ermittelte in Untersuchungen seit 2006, dass auffällige Übereinstimmungen zwischen der weltweit profiliertesten chinesischen Hackergruppe APT1 und der Militäreinheit 61398 existieren. Unter den rund 20 bekannten chinesischen Hackergruppen ist APT1 diejenige, die durch ihre mutmaßliche Größe, die Zahl der gestohlenen Daten und ihre Konzentration auf Ziele in der Wirtschaft hervorsticht. Sie ist auch unter den Namen "Comment-" oder "Shanghai Group" bekannt.

     

    Sowohl APT1 als auch die Einheit 61398 seien mutmaßlich im selben Stadtviertel angesiedelt, der Pudong New Area in Shanghai. Und auch die Angriffsziele, die vermutete Größe der Gruppe als auch die Ausstattung und die Zahl der Angriffe korrelieren laut Mandiant eindeutig häufig.

     

    So verfolgte die Sicherheitsfirma seit 2006 141 Einbrüche in rund 20 existentielle Industrien durch APT1. Die Gruppe griff danach Unternehmen der Infrastruktur, wie etwa für die Stromversorgung, die RSA, aber auch große US-amerikanische Unternehmen wie Coca-Cola an. Mittels der Angriffe wurden stets große Mengen an Daten kopiert.

     

    Innerhalb von zehn Monaten schöpfte die Hackergruppe beispielsweise bis zu 6,5 Terabyte an Daten von einer einzelnen Firma ab. Im Schnitt schnüffelten die Hacker bis zu einem Jahr in den Netzwerken ihrer Opfer; in einem der untersuchten Fälle blieben sie sogar fast fünf Jahre in Lauerstellung.

     

    Bei der Zurückverfolgung der Angriffe stellte sich heraus, dass APT1 in den vergangenen zwei Jahren mit knapp 1000 Command and Control Servern tätig war und die genutzten IPs mehrheitlich für chinesische Organisationen registriert sind. In 97 Prozent der Fälle gehen Angriffe von Rechnern aus, die mit den Spracheinstellungen "Chinese (Simplified) – US Keyboard" arbeiten.

     

    Die Gruppe umfasse mindestens mehrere Dutzend, wenn nicht sogar hunderte Mitarbeiter – darunter müssten sich unter anderem Schadsoftware-Autoren, Industrieexperten, Linguisten und Übersetzer befinden. Den Hackern stehen bis zu 40 verschiedene Schädlings-Familien für ihre Operationen zur Verfügung. Zwei der entdeckten Werkzeuge – GETMAIL und MAPIGET – seien sogar nur bei dieser Gruppe zu finden.

     

    Der wichtigste Befund von Mandiant sei aber schließlich, es habe sich zudem zurückverfolgen lassen, dass APT1 über vier größere Netzwerke in Shanghai operiere. Zwei von diesen Netzwerken sind direkt in der Pudong New Area gelegen, einer Zone, die von der chinesischen Telekom mit einer besonderen Glasfaser-Kommunikations-Infrastruktur ausgestattet worden sein soll – wie es heißt: "Im Namen der Nationalen Verteidigung."

     

    http://www.heise.de/security/meldung/Bericht-Chinesische-Hacker-mit-Regierungsauftrag-1805861.html

  • M
    menschenfreund

    Chinas Empörung glaubwürdig?

    In einem Land, in dem kein Pups unentdeckt entfleuchen kann sind derartig aufwendige und auffällige Aktionen nicht bekannt/veranlasst?

    Es ist bereits so weit, daß die ernsthaften Kriege im Syberspace stattfinden. Nur die kleinen, schwachen und unterentwickelten Länder sind auf herkömmliche Waffen angewiesen oder wenn es gerade gegen diese geht machen die "großen" eine "Ausnahme"...