Haasenburg überflüssig: Drei Jahre ohne Kinderknast
Bremen hat die Pläne für ein geschlossenes Heim beerdigt, Hamburg nicht. Dabei geht es auch anders, wie Hamburgs Praxis seit dem Aus der Haasenburg-Heime zeigt
Der Plan eines geschlossenen Heims von Bremen und Hamburg ist beerdigt. Bremens Sozialsenatorin Anja Stahlmann (Die Grünen) erklärte, es gebe eine neue Lage und damit keinen Bedarf. Denn es kämen weniger junge Flüchtlinge in die Weser-Stadt, und von denen seien die wenigsten kriminell.
Hamburg hatte das Heim auf Bremer Gelände, dessen 32 Plätze es zur Hälfte belegen wollte, eh nie für junge Flüchtlinge gedacht, sondern für Hamburger. Reflexhaft reagierte die CDU. „Bremen lässt Hamburg im Regen stehen“, skandaliserte deren Jugendpolitiker Philipp Heißner. Junge Intensivtäter könnten weiter frei herumlaufen. Er erwarte, dass Rot-Grün „umgehend“ eine Lösung finde.
In einer Kleinen Anfrage wollte Heißner wissen, für wie viele Kinder es eine Genehmigung zur geschlossenen Unterbringung gibt, die wegen fehlender Plätze nicht in einem anderen Bundesland untergebracht werden können. Und wie viele Straftaten sie begangen haben.
Die Antwort überrascht. Es gibt einen Einzigen, der nicht geschlossenen untergebracht werden kann und sich in einem anderen Haus befindet. Ein zweiter ist im geschlossenen Heim. Die Frage nach Straftaten beantwortet der Senat nicht, weil ein Datenabgleich zwischen Jugendamt und Polizei nicht legal sei – eine Position, die der Datenschutzbeauftragte schon länger vertritt. „Zwei frühere Anfragen waren entgegen der Datenschutzvorschriften beantwortet worden“, sagt Behördensprecher Marcel Schweitzer.
Auch aus dem nun veröffentlichten Bericht der „Hamburger Aufsichtskommission“ für geschlossene Heime geht hervor, dass die Stadt seit Schließung der Brandenburgischen Haasenburg Ende 2013, wo regelhaft 15 Hamburger Kinder waren, fast gar nicht mehr geschlossen unterbringt, höchstens immer nur ein Kind für ein paar Monate, dann wieder keines.
Das liegt auch daran, dass die Stadt für schwierige Fälle mit der „Koordinierungsstelle individuelle Unterbringung“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes neue Wege geht. Seit 2014 hat diese Stelle, wo Träger, Jugendamt und auch der Jugendliche selbst an einem Tisch sitzen, über 60 Fälle bearbeitet und andere Lösungen als geschlossene Heime gefunden.
Das gelinge zum Beispiel bei Mädchen, die „sich durch ihren Lebensstil selbst gefährden, indem sie Drogen konsumieren und auf der Straße leben“, berichtet Leiterin Maren Peters. Anstatt diese Mädchen geschlossen unterzubringen, begegne man ihnen „wertschätzend, um dann mit ihnen gemeinsam eine Lebensperspektive aufzubauen“. Seit September steht Peters mit Psychologin Benthe Untiedt eine zweite Kraft zur Seite.
Ihre Stelle beschäftige sich oft mit jungen Menschen, die schon viele Maßnahmen hinter sich hätten und auch unter psychiatrischen Erkrankungen litten, sagt Peters. Besonders bei jenen, die aggressives Verhalten zeigten, sei es oft nicht möglich, sie in einer Gruppe unterzubringen.
Nötig für gute Lösungen sei neben Zeit und Vertrauen ein „niedrigschwelliges Wohnangebot“ für Jugendliche, die auf der Straße lebten und keine pädagogische Hilfen annähmen, so Peters. Außerdem benötige Hamburg eine Jugendhilfeeinrichtung, die eine psychiatrische Behandlung im Haus anbietet.
„Da sind wir dran“, sagt Marcel Schweitzer von der Sozialbehörde. Dennoch hält der Senat daran fest, dass ein eigenes geschlossene Heim nötig sei. Die bisherigen Planungen für Bremen ließen sich „auf einen anderen Standort übertragen“.
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