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HUMBOLDTFORUMSchloss-Euphorie mit Anfassen

Am Schlossplatz steht jetzt eine Musterfassade für den historisierenden Neubau. Der Spendenstand liegt aber erst bei 19 Millionen Euro.

Schon mal schön? Ein Stück Fassade auf dem Schlossplatz. Bild: dpa

Am Schlossplatz in Mitte stehen nun schon zwei Musterfassaden ehemals historischer Gebäude. Nach der roten Klinker-Ecke für die Bauakademie - deren Weiterbau mangels Geldgebern stillsteht - wurde am Dienstag ein Fassadenelement des geplanten Schlossneubaus errichtet. Das zweigeschossige und fünf Meter breite Schlossfragment vis-à-vis dem Berliner Dom ist mit Mauerwerk im Erdgeschoss und hellem Naturstein darüber verkleidet. Es stellt die Nachbildung eines Abschnitts an der nordöstlichen Seite des 1950 gesprengten Schlüterbaus dar.

Präsentiert wurde auch das erste Sandstein-Schmuckelement in Form eines preußischen Wappenschilds als Fensterabschluss. Wegen der frostigen Temperaturen konnte es aber noch nicht eingemauert werden.

Das neobarocke Fassadenornament mit Zepter und Krone, das einmal 47 Fenster schmücken soll, hat ein Gewicht von 600 Kilogramm. Die Musterfassade zeige "die historisch präzise Rekonstruktion", sagte Manfred Rettig, Bauherr und Vorstand der Bundesstiftung Berliner Schloss, bei der Vorstellung des Bauteils. "Hier wird es nun ein erstes Stück Fassade sozusagen zum Anfassen geben", so Rettig. "Die Musterfassade macht Vorfreude auf das gesamte Bauvorhaben für das neue Humboldtforum."

Zusammen mit dem Förderverein Berliner Schloss e. V., der 80 Millionen Euro Spendengelder für die Barockfassade aufbringen will, bauen Stiftung und Bund das sogenannte Humboldtforum. Nach vielen Terminverschiebungen soll der über 560 Millionen Euro teure Neubau des Stadtschlosses 2013 begonnen und 2019 als Museum und Bibliothek eröffnet werden. Die Pläne stammen von dem italienischen Architekten Franco Stella.

Die Kosten bilden weiter das größte Hindernis für die Rekonstruktion des Schlosses aus dem frühen 17. Jahrhundert. Bislang seien für die Nachbildung der historischen Fassaden rund 19 Million Euro gespendet worden, sagte am Dienstag Wilhelm von Boddien, der Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss. Obwohl der Verein seit über 10 Jahren sammelt und hochgerechnet erst nach 2040 die versprochenen 80 Millionen Euro zusammenhätte, gab sich von Boddien ungebremst optimistisch: "Es gehen ständig Beträge ein." Erst vor ein paar Tagen sei eine Spende in Höhe von fast 100.000 Euro in Form eines Nachlasses an den Förderverein gegangen. Dennoch sind neben der Fassade auch noch die Kuppel sowie die barocke Auskleidung der Innenbereiche nicht finanziert. Zusätzliche 28,5 Millionen Euro an Spenden sind laut Manfred Rettig für die historische Verkleidung der Kuppel und für zu errichtende Portale vonnöten.

Hinzu kommt, dass die Stiftung das Konzept für die Museumsräume neu aufstellen will, wie der Stiftungsvorsitzende am Rande der Muster-Aktion erklärte. So sei an Umplanungen für die Bereiche der Außereuropäischen Sammlung des Ethnologischen Museums gedacht. Einige Ausstellungsräume sollten dafür vergrößert, Decken durchbrochen werden. Dass damit zusätzliche Mehrkosten für das Bauwerk auftreten, wollte Rettig erst einmal nicht erkennen.

Kritiker sehen das anders. Zudem haben die Fraktionen des Bundestages - insbesondere Linke und Grüne - eine Überschreitung des Kostenrahmens der öffentlichen Hand bisher stets abgelehnt.

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4 Kommentare

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  • ME
    M. Eiben

    Das Stadtschloss muss kommen zum Absiegeln dieses Teils deutscher Geschichte. Der Spitzbart darf nicht triumphieren.

     

    Wann kommt es denn endlich. 20 Jahre nach der Wende und immer noch der Knausergeist. Ich dacht die Zeiten wären vorbei wo man das neoliberale Märchen glaubt. Denn dass der Neoliberalimus ein Märchen ist, davon zeugen die Bauleistungen der Vergangenheit. Durch Bauen von "Nutzlosigkeiten" und Infrastruktur schafft der Staat Wohlstand. Keynesianismus funktioniert, wenn nicht in die Realwirtschaft eingegriffen wird. Neue Handswerkstechniken werden entwickelt, finde ich extrem spannend.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Ach, "Johnny Cynic", die Architekten haben und hatten gerade in Berlin genug Platz, um sich auszutoben; und, was haben sie draus gemacht? (vgl. Potsdamer Platz, Alexa-Einkaufscenter am Alexanderplatz etc.).

     

    In unmittelbarer Nähe zum Berliner Dom, der Oper, dem Gendarmenmarkt und den anderen Repräsentationsbauten preußischer und deutscher Geschichte wirken die Proportionen und die Fassade eines aufgebauten Stadtschlosses (mit der modernen, republikanischen Idee eines Humboldtforums im Inneren) nun einmal authentisch, jedenfalls authentischer als oben genannte Beispiele neuerer Architektur"kunst".

     

    In Paris, London oder Wien würde niemand so geschichtsvergessen-stillos daherreden wie Sie, "Johnny Cynic".

  • V
    vjr

    Seltsam, eine Gesellschaft die sich die historisierende Vergangenheit historisierend neu aufbaut.

  • JC
    Johnny Cynic

    Warum protestiert eigentlich keiner gegen Germania 21 und warum ruft die taz nicht zum Widerstand gegen diesen nutzlosen und teuren Protzbau auf?

    Etwa weil Berlin nun mal der Nabel der Welt sein soll?