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HSV schmeißt Trainer rausNach 27 Spielen ist Schluss mit Kappe „72“

Nach nur neun Monaten trennt sich der HSV von seinem Trainer Steffen Baumgart. Das Aus ist auch Ergebnis typischer Ränkespiele.

Muss sich einen neuen Job suchen: Ex-HSV-Trainer Steffen Baumgart, Kappen-Nummer 72 Foto: Swen Pförtner/dpa

Hamburg taz | Der HSV hat sich von seinem Trainer Steffen Baumgart getrennt. Letztlich ist das Aus auch ein Ergebnis typischer HSV-Ränkespiele: Im Februar hatte der damalige Vorstand Jonas Boldt seinen Spezi Tim Walter zu spät entlassen. Um nicht selbst in den Fokus des ziemlich kenntnisfreien Aufsichtsrats zu geraten, holte Boldt dann Baumgart, einen namhaften Coach mit Verdrängung und Motivation, der vielleicht fachlich weniger taugte als andere, unbekannte Kollegen, aber in Köln bewiesen hatte, einen Traditionsverein zu Erfolgen führen zu können.

Als es um Boldt und Baumgart dann eng wurde im Sommer, trauten sich die Kontrolleure nicht, beide zu entlassen – Boldt musste gehen, und mit Stefan Kuntz kam wieder ein namhaftes Mitglied der Fußballszene, allerdings eines, das zuletzt als Trainer Erfolge gefeiert hatte. Doch auch die Kontrolleure wollten „liefern“, um in der Öffentlichkeit nicht als handlungsschwach und ahnungslos dazustehen.

So entstand das Gespann Kuntz und Baumgart, das sich so gegenseitig wohl nie ausgesucht hätte. „Steffen hat mit großer Leidenschaft, Energie und Einsatz bis zuletzt alles für den HSV gegeben. Unsere Analyse der aktuellen Situation und des gestrigen Spiels hat aber nochmals verdeutlicht, dass wir für den Weg aus der Leistungs- und Ergebniskrise einen neuen Impuls für nötig erachten“, schrieb Sportvorstand Stefan Kuntz am Sonntagmittag. So endete das kurze Kapitel Baumgart in Hamburg nach nur neun Monaten auf Platz acht der zweiten Liga.

Am Sonntag kippte die Stimmung

Früher, als Rostocker Steppke, habe er in HSV-Bettwäsche geschlafen, hatte Baumgart im Februar verraten. Ein früherer Fan als Trainer, das klang zum Start verheißungsvoll, und in Merchandising-Produkten mit der Raute drauf machte Baumgart auch eine gute Figur.

Am Samstagabend im Presseraum wirkte das Outfit mit dem tief ins Gesicht geschobenen Cap nur noch wie eine letzte Botschaft: Seht her, ich gehöre doch zu euch! Der übliche Widerwille, mit dem Baumgart auf Fragen in Medienkonferenzen antwortet, existierte nur noch in homöopathischen Dosen – der 52-Jährige wirkte bei seinen Erklärungen des 2:2 (2:0) gegen den FC Schalke 04 defensiv, auf dem Rückzug, als wisse er längst, was sich da zusammengebraut hatte.

Womöglich waren es die Pfiffe im ausverkauften Volksparkstadion, die das Fass zum Überlaufen brachten; erst zaghafte um die 70. Minute, dann schrille nach dem Abpfiff des fünften sieglosen Pflichtspiels am Stück. Das gab es in dieser Wohlfühloase selten – das Publikum hat sich in der zweiten Liga ja eingerichtet, offenbar zufrieden mit der Rolle als am Ende verlässlich scheiternder Jäger im Aufstiegsrennen. Doch am Sonntag kippte die Stimmung.

Wer nächster wird, ist offen

Entsprechend alarmiert, entschlossen sich Kuntz und Sportchef Claus Costa am Sonntag zu Baumgarts Entlassung. Punktuell wirkte sein pragmatischer Stil der Zweiten Liga angemessen; andererseits kitzelte er das offensive Potenzial des verstärkten und breiten Kaders nur ungenügend heraus.

Wie schon in der Vorsaison im Spiel bei Hansa Rostock wird Assistent Merlin Polzin die Vorbereitung auf die Partie bei den formstarken Karlsruhern am 1. Dezember übernehmen. Offen, wer der nächste Cheftrainer des HSV im siebten Zweitligajahr sein wird – in Niko Kovac (zuletzt beim VfL Wolfsburg) und Thomas Letsch (VfL Bochum) kursieren Nachfolgekandidaten Baumgarts, der nach nur 27 Spielen mit der „72“ auf der Kappe schon wieder Geschichte ist.

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1 Kommentar

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  • Hamburg hat St. Pauli, das reicht.



    Schade um einen Club mit historischen Meriten, doch es ist wohl nie gut, wenn ein einzelner Kapitalist ohne Sport- oder Vereinsverstand einen Fußballclub glaubt von der Seitenlinie lenken zu müssen. Kühne sollte man mit Crowdfunding zuerst feuern.