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Gutachten zu ArbeitnehmerdatenbankElena ist nicht zu retten

Die Vorratsspeicherung von Arbeitnehmerdaten ist verfassungswidrig, sagt Staatsrechtler Heinrich Wilms. Karlsruhe lehnt aber einen Eilbeschluss gegen die Elena-Datenbank ab.

Bleibt noch im Karton: Kein Eilverfahren für die Verfassungsbeschwerde gegen Elena. Bild: dpa

FREIBURG taz | Die neue Arbeitnehmerdatenbank Elena ist "unrettbar verfassungswidrig". Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Staatsrechtlers Heinrich Wilms im Auftrag der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und des Verbands Führungskräfte Chemie.

Seit Beginn dieses Jahres werden in Würzburg die Daten von bis zu 40 Millionen Arbeitnehmern in den Elena-Computern zentral erfasst. Elena steht für Elektronischer Entgeltnachweis. Die staatliche Datenspeicherung erfolgt rein vorsorglich. Sollte ein Arbeitnehmer ab 2012 Arbeitslosen-, Wohn- oder Elterngeld beantragen, können sich die zuständigen Behörden bei Elena die erforderlichen Daten besorgen. Zu den gespeicherten Daten gehören zum Beispiel auch Kündigungen und Fehlzeiten, jeweils mit den Gründen. Streikbedingte Fehlzeiten werden nach Protesten aber nicht mehr erfasst.

Staatsrechtler Wilms kommt zu dem Schluss, dass eine derartige Vorratsdatenspeicherung nicht zu rechtfertigen sei. Sie diene nicht, wie vom Verfassungsgericht in anderen Fällen gefordert, dem "Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter", sondern nur dem Bürokratieabbau und der Kostensenkung. Deshalb sei das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch Elena verletzt, so Wilms, der an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen lehrte und Anfang September verstarb.

Selbst in der Bundesregierung gab es zuletzt Bedenken gegen Elena. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) überlegt seit April, ob der Mittelstand von der aufwändigen Datenübermittlung befreit werden kann.

Beim Verfassungsgericht wurde vorige Woche ein Eilantrag gegen Elena abgelehnt. Angesichts der gesetzlichen Datenschutzbestimmungen könne auf eine Entscheidung in der Hauptsache gewartet werden, so die Richter.

Der Eilantrag war von der Münchner Kanzlei Riechwald im Namen von fünf Bürgern gestellt worden. Anwalt Tobias Helmke zeigte sich enttäuscht: "Die gesetzlichen Regelungen schützen nicht ausreichend vor Hackerangriffen auf diesen gigantischen Datenpool."

Insgesamt sind am Verfassungsgericht sechs Verfahren zu Elena anhängig. Eines wurde vom Bielefelder Datenschutzverein Foebud initiiert und von mehr als 20.000 Bürgern unterstützt.

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9 Kommentare

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  • D
    dasLinkTier

    Es ist total abseitig eine Datenbank zu planen, die Gewerkschaftsmitgliedschaft, BR-Tätigkeit & Krankheitsgründe sammelt! Mit welchem Zweck werden diese Daten wohl gesammelt?

  • B
    B-Raver

    Elena ist der Name einer hässlichen Klassenlehrerin die Fehlzeiten, Arbeitsleistung und Betragen ihrer Schulkinder protokolliert. Die fette Elena liegt nun im Sterben und keiner trauert ihr nach.

  • S
    Steuerzahler

    Na wunderbar, da werden wieder Millionen für den Aufbau und den Betrieb einer Datenbank in den Sand gesetzt, anstatt vorher zu prüfen, ob diese Datensammlung verfassungsrechtlich statthaft ist.

     

    Aber wir haben's ja. Und die Verantwortlichen dieser Steuerverschwendung werden wieder nicht zur Rechenschaft gezogen.

  • S
    Sellaginella

    Tja, der Staat würde sich halt ganz gerne Persönlichkeitsprofile der Bürger zusammentragen, und wo geht das einfacher und umfassender, als mit der fast polizeilichen Arbeitgeberaufsicht? Da könne sich dann die Ämter ganz ungeniert austauschen und müssen keine "Ermittlungen" von Amts wegen mehr anstellen. Mit solchen Daten lassen sich natürlich prima Kürzungen von welchen Zuschüssen auch immer durchsetzen, wenn der "Kunde" nicht genehm ist.

  • N
    niemand

    es ist einigermaßen unerträglich ! wo sind denn bitte politiker und bürokraten mental angekommen, wenn das bundesverfassungsgericht über so etwas entscheiden muss ???

    was elena angeht, kann man doch wohl nicht von der gefahr des mißbrauchs sprechen, die anlage einer solchen datenbank ist mißbrauch von datenspeicherung an und für sich !

    wobei es ja nicht wundern sollte, wo doch gerade die aktuell regierenden eindrucksvoll beweisen, in wessen sinne die staatsgewalt angewendet wird, die angeblich vom volk ausgeht ... nun ja .kann man nur hoffen, dass diesem volk bald mal die macht ausgeht und es dann auch beschließt, dass sie ein zu knappes gut ist, um sie auch noch zu verleihen

  • E
    EU-Gegner

    Was glaubt Ihr wohl wofür die Datenspeicherung wirklich künftig verwendet werden soll? Bestimmt nicht zum Vorteil des Bürgers, sonden zur Unterdrückung und Observierung. Der einzelne Bürger wird sich demnnächst noch wundern, warum irgendwelche Behörden sich auf einmal bei Ihm melden. Ein weiterer Schritt zur Versklavung der Bürger und Abschaffung der Demokratie und Freiheit im Namen der Großkonzerne und korrupten Politiker.

  • P
    Pablo

    "Zu den gespeicherten Daten gehören zum Beispiel auch Kündigungen und Fehlzeiten, jeweils mit den Gründen." Das mit den Kündigung kann ich noch nachvollziehen, diese muss ja auch heute schon vorgelegt werden. Warum die Fehlzeit und dann auch noch mit Begründung gespeichert werden ist nicht ersichtlich, diese haben nun wirklich nichts in den Händen der Behörden zu suchen. Es geht den Staat nichts an ob ich gefehlt habe wegen Krankheit oder wegen Faulheit oder oder oder.

  • W
    Würzburger

    Hoffentlich kommt es zu einem Urteil gegen ELENA, der eigentlich gute Name unserer Stadt kommt durch so ein Projekt früher oder später in einen schlechten Ruf (ähnlich Flensburg, wg. Verkehrssünderkartei).

     

    meine Stadt hat auch ohne ELENA genug (finanzielle) Probleme - ein Negativimage braucht man da wirklich nicht auch noch.

  • J
    Jan

    Bei google ist kürzlich ein Mitarbeiter gefeuert worden weil er aus die googlemail Konten von Bekannten gelesen hat und deren Chat und Onlinetelefonie Gespräche abgehört hat.

     

    Wie will der Staat sichergehen dass niemand der mit den Daten zutun hat sie Missbraucht? Ist nicht möglich. Also einzige Möglichkeit. Kein Elena.