Günter Wallraff über iranische Repression: "Die meinen es todernst"
Stille Diplomatie werde nicht weiterhelfen, sagt Günter Wallraff. Der Publizist fordert für verfolgte Künstler mehr Solidarität. Er unterstützt derzeit den bedrohten Musiker Shahin Najaf.
taz: Herr Wallraff, Sie kümmern sich jetzt um den Musiker Shahin Najafi, der aus dem Iran mit dem Tode bedroht wird. Was können Sie für ihn tun?
Günter Wallraff: Shahin Najafi hat sich an mich gewandt, und ich habe ihm meine Hilfe angeboten. Jetzt ist er an einem sicheren Ort, an dem schon Salman Rushdie einige Zeit verbracht hat. Wichtig ist, dass er jetzt eine breite Unterstützung bekommt.
Konnten Sie ihm da die richtigen Kontakte verschaffen?
Das kommt teilweise von selbst. Was die Medien betrifft, kann er sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Aber die Solidarität seiner deutschen Künstlerkollegen muss erst organisiert werden. Und ich warte noch darauf, dass sich mal eine Stiftung meldet, die ihm ein Stipendium anbietet, damit er seine Arbeit fortsetzen kann.
Gerade hat Shahin Najafi im Internet ein neues Lied veröffentlicht, in dem er seine Lage kommentiert. War das klug?
GÜNTER WALLRAFF, 69, ist Enthüllungsjournalist und Schriftsteller. Er hat sich schon früher für bedrohte Künstler wie Salman Rushdie oder Aziz Nesin eingesetzt. Er lebt in Köln.
Es gibt zwei Wege, mit so einer Situation umzugehen: Man kann sich zurückziehen und sich raushalten. Aber damit ermutigt man diejenigen, die einen mit dem Tode bedrohen. Rushdie hat es einst als den größten Fehler seines Lebens bezeichnet, als er auf den Rat der Sicherheitsbehörden hin nach Chomeinis Fatwa seine Haltung relativierte. Da wurde er erst recht attackiert.
Die andere Möglichkeit ist, sich nicht einschüchtern zu lassen. Shahin Najafi macht einfach seine Arbeit weiter. Das ist er nicht zuletzt auch denen schuldig, die sich im Iran auf ihn berufen. Die Ajatollahs und die, die hinter ihnen stehen, ehren ihn ja auf ihre Art. Es ist kein Zufall, dass es ausgerechnet ihn getroffen hat. Islamisten und Fundamentalisten jeder Couleur, die sich im Besitz der reinen Wahrheit wähnen, verstehen keinen Spaß, die meinen es todernst. Deswegen sind Auch-Satiriker wie Rushdie, der verstorbene türkische Schriftsteller Aziz Nesin oder eben Shahin Najafi für sie solche Hassobjekte.
Wie geht es jetzt für Shahin Najafi weiter?
Er hat Einladungen aus den USA und Kanada, dort kann er unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen auftreten.
Mit einem satirischen Song, den er im Mai im Internet veröffentlichte, hat der iranischstämmige Musiker Shahin Najafi im Iran den Zorn radikaler Kreise auf sich gezogen. Führende Geistliche haben dort inzwischen vier Todesdekrete gegen ihn ausgesprochen, ein Kopfgeld von 100.000 Dollar wurde auf ihn ausgesetzt. Najafi lebt seit 2005 als Flüchtling in Köln. In seiner Heimat war er Untergrundmusiker, seine Songs werden dort auf dem Schwarzmarkt gehandelt oder im Internet heruntergeladen.
Aus Deutschland noch nicht?
Bis jetzt noch nicht, da müssen erst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Was könnten Künstlerkollegen denn zum Beispiel tun?
Ein Solidaritätskonzert mit namhaften Künstlern wäre eine große Hilfe und Schutz für ihn. Er selbst ist sehr zurückhaltend, erwartet nichts und drängt sich keinem auf. Aber ich erwarte so etwas. Leider habe ich den Eindruck, dass sich gerade die deutschen Stars damit schwertun.
Warum?
Aus Desinteresse und Ignoranz? Aus falscher Rücksichtnahme? Aus bequemer Feigheit oder aus Gratisangst? Ich weiß es nicht, aber das geht einigen offenbar total am Arsch vorbei. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Leider hat das Tradition. Als ich damals eine Solidaritätsaktion für Rushdie gestartet habe, da wollte ihn etwa die Lufthansa zuerst nicht fliegen. Erst als wir mit Zeitungsannoncen einen Boykott organisiert haben, haben sie nachgegeben.
Wie reagiert die deutsche Politik jetzt auf diesen Fall?
Einige Politiker haben sich schon zu Wort gemeldet. Aber hier sind unsere Spitzenpolitiker gefragt. Ein Außenminister darf hier nicht schweigen, wenn in organisierten Demonstrationen vor der deutschen Botschaft in Teheran die Auslieferung von Shahin Najafi verlangt wird oder ein Mitarbeiter des iranischen Generalkonsulats in E-Mails die Vollstreckung der Fatwas verlangt. Da muss der iranischen Botschafter einbestellt und zur Rede gestellt werden.
Vielleicht setzt die Bundesregierung bisher ja lieber auf stille Diplomatie?
Stille Diplomatie wird hier nicht weiterhelfen: Die Fatwas sind in der Welt, ein Kopfgeld ist auf ihn ausgesetzt. Soeben erst wurde im Iran ein Killerspiel ins Netz gestellt, in dem Najafi virtuell hingerichtet werden kann – ein „Training“, zu dem die staatliche Nachrichtenagentur FAR-News direkt aufruft. In anderen Foren wird ausführlich darüber diskutiert, wie man ihn am besten zur Strecke bringt. Das alles ist ernst zu nehmen, deshalb steht er unter Polizeischutz.
Wie, glauben Sie, könnte sich sein Fall zum Guten wenden?
Die einzige Hoffnung besteht darin, dass dieses Regime im Iran seinem Ende entgegengeht. Sonst wird es weitere Fälle wie den von Shahin Najafi geben. Er ist jemand, der diese Hoffnung am Leben hält. Genau darum ist er ja zur Zielscheibe geworden.
Das klingt pessimistisch.
Nein, denn dieses Regime ist überfällig. Der Iran hat eine mehrheitlich sehr junge Bevölkerung. Und die will in einem anderen, freiheitlichen Staat leben und sich nicht von finsteren Mullahs und religiös-faschistischen Revolutionsgarden, Geheimdiensten das eigentliche Leben verbieten und auf Dauer unterdrücken lassen. Davon bin ich fest überzeugt. Man muss den Angstmachern in diesem menschenverachtenden Regime zeigen, dass sie letztlich unterlegen sind, sich zum Idioten machen und das Gegenteil von dem erreichen, was sie beabsichtigen.
Sie selbst haben sich ja gerade mit einem großen Paketdienst angelegt, dessen Ausbeutungsmethoden Sie anprangern. Wie bringen Sie das alles eigentlich unter einen Hut?
Da überlege ich nicht lange, ich mache das gerne – solange die Kräfte reichen.
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