: Guatemalas Zukunft ist düster und blutig
Nach den Wahlen am Sonntag kehrt die Vergangenheit zurück. 17 Jahre nach seinem Putsch greift der Völkermörder Rios Montt wieder nach der Macht – mit einem Mörder als Kandidaten ■ Aus Guatemala-Stadt Toni Keppeler
Ein Mörder als Präsidentschaftskandidat einer Partei, die von einem anerkannten Völkermörder geführt wird, und zusammen haben sie auch noch die besten Chancen, die Wahl am kommenden Sonntag haushoch zu gewinnen. So etwas ist nur in Guatemala möglich. Der 47-jährige Anwalt Alfonso Portillo, von der rechtspopulistischen „Republikanisch-guatemaltekischen Front“ (FRG) aufs Schild gehoben, hat nach den letzten Umfragen einen beruhigenden Vorsprung von mehr als 15 Prozentpunkten. Ihm folgt der 53jährige Oscar Berger, bis vor kurzem noch Bürgermeister der Hauptstadt, von der noch regierenden, ebenfalls rechten „Partei des Nationalen Fortschritts“ (PAN). Der Links-Kandidat Alvaro Colom liegt weit abgeschlagen auf dem dritten Platz. Der parteiunabhängige 48-jährige Unternehmer tritt für die „Allianz Neue Nation“ (ANN) an, zu der auch die ehemalige Guerilla der „National-revolutionären Einheit Guatemalas“ (URNG) gehört.
Das Gespann Portillo-Rios Montt ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Rios Montt hatte sich 1982 an die Macht geputscht und stand bis zum nächsten Staatsstreich ein gutes Jahr lang an der Spitze eines der blutigsten Regime, die Guatemala je erlebt hat. Ein Ende Februar veröffentlichter Bericht einer Wahrheitskommission stellte fest, dass in dieser Zeit im Hinterland ein Völkermord an der indianischen Bevölkerungsmehrheit stattfand. In der Stadt richtete Rios Montt anonyme Gerichte ein, die Angeklagte in kurzem Prozess vor ein Erschießungskommando brachten.
Im Wahlkampf scheute sich Rios Montt nicht, an seine düstere Vergangenheit anzuknüpfen. Einer seiner starken Sprüche bei Kundgebungen auf den Dörfern: „Wir werden als erstes den Friedhof erweitern, damit Platz ist für alle Kriminellen.“ In der Stadt dagegen hielt er sich zurück und log frech: „Meine Regierung hat sich intensiv für Demokratisierung und Menschenrechte eingesetzt.“
Der Rechtskandidat ist ein gnadenloser Opportunist, der einst in einer der Guerilla nahestehenden Jugendorganisation aktiv war und deshalb Anfang der Achtzigerjahre ins Exil musste. Später schloss er sich den Christdemokraten an. Als 1994 Rios Montt wegen seines Putsches nicht als Präsidentschaftskandidat für die Wahl 1995 zugelassen wurde, rückte Portillo vollends nach rechts außen und sprang für den verhinderten FRG-Parteichef in die Bresche. Er verlor nur knapp gegen den PAN-Kandidaten Alvaro Arzu.
Mitten im jetzigen Wahlkampf kam heraus, dass Portillo 1982 im mexikanischen Exil bei einem Streit zwei unbewaffnete Studenten erschossen hatte und danach vor der Polizei geflohen war. Er gibt den Doppelmord zu, behauptet aber, es habe sich um Notwehr gehandelt. „So wie ich damals mein eigenes Leben verteidigt habe, werde ich als Präsident mein Volk verteidigen“, sagt Portillo, und das sitzt. Guatemala wird seit dem Ende des Bürgerkriegs (1962 bis 1996) von einer vorher nicht gekannten Welle der Gewaltkriminalität heimgesucht.
Außer Recht und Ordnung verspricht Portillo auch noch ein paar populistische Geschenke für die Massen: Gesundheit und Bildung für alle und Kredite für Bauern und Kleinunternehmer. Und auch was die Menschenrechte angeht, zeigt er sich kämpferisch. Er verspricht, die Mörder des Menschenrechtlers und Weihbischofs Juan Gerardi nach eineinhalb Jahren endlich zu finden und ins Gefängnis zu werfen.
PAN-Kandidat Oscar Berger sieht dagegen alt aus. Unter der Regierungszeit seiner Partei wurden die Ermittlungen im Fall Gerardi zu einer absurden Posse, in deren Verlauf selbst ein todkranker Schäferhund als möglicher Täter gehandelt wurde. Auf dem Land häufen sich die Fälle von Lynchjustiz. Der Bonus, nach 34 Jahren Bürgerkrieg und mehr als 200.000 Toten endlich Frieden geschlossen zu haben, ist längst verspielt und vergessen. In den vergangenen Monaten ist die Partei vor allem mit Korruptionsskandalen im Zusammenhang mit der Privatisierung von Staatsbetrieben in Erscheinung getreten.
Gegen die rechten Portillo und Berger wirkte der Wahlkampf der Linken fast zaghaft. Ihr Kandidat Colom, ein bedächtiger Intellektueller aus traditionsreicher sozialdemokratischer Familie, verspricht, an die kurze Zeit der Demokratie unter den Präsidenten Juan José Arévalo und Jacobo Arbenz (1944 bis 1954) anzuknüpfen. Vor allem Arbenz hatte sich für eine Landreform stark gemacht und das Brachland des US-amerikanischen Bananen-Riesen United Fruit Company enteignet – weshalb er 1954 durch einen CIA-gesteuerten Militärputsch gestürzt worden war.
Colom ist nicht das Problem der Linken. Das Problem ist die URNG. Nach dem gewohnten militärischen Befehl-und-Gehorsam-Schema wollte sie ihre Kandidaten für Parlaments- und Bürgermeister-Wahlen durchsetzen. Was zur Folge hatte, dass die bereits im Parlament vertretene „Demokratische Front Neues Guatemala“ (FDNG) aus der ANN ausstieg und nun mit einer aussichtslosen Kandidatin alleine antritt. Menschenrechtsorganisationen werfen der URNG vor, sie habe erst gar nicht vor, sich als starke Opposition zu etablieren, sondern wolle gleich mit an die Macht.
„Sie setzen darauf, dass es eine Stichwahl gibt, um dann den Kandidaten der rechten PAN zu unterstützen. Gegen eine Beteiligung an der Macht, versteht sich“, sagt Miguel Angel Albizures von der „Allianz gegen die Straffreiheit“. Die Strategie könnte ins Auge gehen. Nur wenn Portillo am kommenden Sonntag doch noch überraschend die absolute Mehrheit verfehlt, werden die 4,5 Millionen Stimmberechtigten am 26. Dezember zu einer Stichwahl zwischen Erst- und Zweitplatziertem aufgerufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen