Gruppenschau in Berlin: Freier Markt statt Gott
Die Ausstellung „Freedom & Independence“ der Galerie Ebensperger beschäftigt sich mit Konzepten von Freiheit – und ihren Widersprüchen.
„Reason, Individualism, Capitalism“. Unerbittlich lässt „Randi“ die Gerte knallen. Randi ist die Hauptperson in Bjørn Melhus’ Kurzfilm „Freedom & Independence“ und so etwas wie die Reinkarnation Ayn Rands (1905–1982) samt schwarzem Gouvernantenkleid, Dollarkette und strengem Gesichtsausdruck.
Die Ausstellung läuft in der Plantagenstr. 30 und der Meinekestr. 5 bis zum 20. 12. und ist nach Anmeldung unter office@ebensperger.net oder (030) 46065821 rund um die Uhr zu besichtigen.
Rand, deren Buch „Atlas Shrugged“ in den USA als Bibel des neoliberalen Kapitalismus gilt, lässt als überzeugte Atheistin den freien Markt anstelle Gottes treten. In Melhus’ SciFi-Dystopie, in der der Künstler alle Rollen selbst übernimmt, treffen Rands mantrahaft vorgetragene Weisheiten auf evangelikal geprägte Zitate aus Hollywood-Blockbustern.
Teile des Films wurden in einer ehemaligen Aussegnungshalle in Wedding gedreht, wo sich nun die Galerie Ebensperger befindet. So schließt sich der Kreis: „Freedom & Independence“ ist Dreh- und Angelpunkt einer Gruppenausstellung, die sich über die Galerieräume und eine Wilmersdorfer Altbauwohnung erstreckt.
Nihilistisch oder hoffnungsfroh
Die Arbeiten schlängeln sich dabei an Konzepten von Freiheit, noch mehr aber an religiösen bis quasireligiösen, oft zweifelhaften Überzeugungen entlang. Da ist etwa Tim Etchells, dessen Neonleuchtschrift „Live Like There Is No Tomorrow“, je nach Beleuchtung nihilistisch oder hoffnungsfroh, den kontradiktorischen Charakter des Films widerspiegelt.
John Bock steuerte unter anderem eine neue, Nase wie Augen betörende Installation für ein Kämmerchen bei Ebensperger bei, die auf die Figur des berüchtigten Wanderpredigers „Rasputin“ Bezug nimmt – der dann gleich noch über allem thront in Form eines Gemäldes von Otto Muehl. Von seinen Bildern gibt es noch einige mehr zu entdecken in der Meinekestraße.
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Dort geht die Geisterstunde mehr oder weniger fröhlich weiter: Melhus selbst überwacht die Toilette. Gleich ein ganzer Raum ist dem als Werner Herzogs „Kaspar Hauser“ bekannt gewordenen Schauspieler, Straßenmusikanten und eben auch faszinierend eigenwilligen Künstler Bruno Schleinstein gewidmet. Lea Draegers „ökonomische Päpste“ lassen grüßen, wie auch die vielen weiteren Werke, für deren Erwähnung hier der Platz zu knapp ist. Mit das Beste: Nach Anmeldung (siehe Kasten) können diese 24/7 angeschaut werden.
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