Gruppenchat-Programm Syme: Netzwerk ohne Überwacher
Syme sieht Facebook oder Google+ sehr ähnlich, hat aber einen Vorteil: Alle Daten werden verschlüsselt. Noch fehlt es aber an Funktionalität.
BERLIN taz | Syme wirkt vertraut: Da das Rädchen für die Einstellungen, links blinkt es rot, wenn eine neue Nachricht eintrudelt, unter jedem Beitrag ist ein „Like“-Knopf. Es könnte Facebook sein, oder Google Plus oder Diaspora. Doch das Programm kann etwas, was die großen Online-Netzwerke nicht können: die unkomplizierte und vollständige Verschlüsselung von Nachrichten.
Syme, benannt nach einer Figur aus George Orwells „1984“, ist das Projekt von drei Studenten aus Montreal, Kanada. „Früher haben wir viel über Facebook-Gruppen kommuniziert“, sagt Jonathan Hershon über sich und seine Ko-Entwickler. Doch es störte sie, dass Facebook grundsätzlich alles mitlesen kann. Die drei Männer begannen ein eigenes Programm zu schreiben: „Wir haben gemerkt, dass wir eine Lösung für ein Problem gefunden haben, das viele haben.“
Das Problem ist der anfängergerechte Einsatz von Verschlüsselung bei Online-Netzwerken. Bisher ist Verschlüsselung entweder mit hohem Aufwand für Nutzer verbunden, beispielsweise wenn sie manuell alle Verschlüsselungscodes verwalten müssen. Oder sie müssen Dienstleistern vertrauen, die Verschlüsselung zu übernehmen – etwas, das seit den Snowden-Enthüllungen kaum noch möglich erscheint.
„Unser Konzept legt so wenig Vertrauen wie möglich in den Anbieter“, sagt Hershon. Syme wird als Browsererweiterung für Chrome installiert – Versionen für Firefox, Safari und Mobilgeräte sind geplant – und verschlüsselt die Daten noch bevor sie an die eigenen Server geschickt werden. Zugleich wird der Quellcode des Projekts offengelegt, so dass er von anderen Programmierern durchleuchtet werden kann. Sichtbar für Betreiber bleiben Metadaten: Zeiten von Serverzugriffen, Dateigrößen und, vor allem, wer mit wem kommuniziert.
Kostenlos und Anzeigenfrei
Während das Projekt einen entscheidenden Schritt in der Verschlüsselung macht, fehlt es ihm noch an einiger Funktionalität: Derzeit können nur geheime Gruppen angelegt und Mitglieder per Mail-Adresse eingeladen werden. Man kann nicht Unbekannten folgen wie auf Twitter oder das ganze Freundesnetz beobachten, wie bei Facebook. Syme ist eher ein geschlossener Gruppenchat als ein wirkliches Netzwerk.
„In der ersten Testperiode haben viele Nutzer darum gebeten, dass sowohl Gruppen als auch Personen suchbar sind“, sagt Hershon. Schon das würde ein Schritt Richtung herkömmliche Soziale Netzwerke sein. Und bei einem Versprechen klingt dann Hershon dem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sehr ähnlich: „Syme wird kostenlos bleiben.“ Aber auch: „Wir bleiben auch anzeigenfrei. Wir wollen damit Geld verdienen, dass wir Sonderlösungen für Anwälte oder Ärzte anbieten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!