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Grundwasser-VorkommenDeutschland nicht mehr furztrocken

Erstmals seit 2018 füllen sich in weiten Teilen Deutschlands die Grundwasserspeicher. Doch wie stark, ist unklar. Annäherung mit drei Datensätzen.

Keine Behörde erfasst bundesweit die Grundwasserstände Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Nach mehreren Wochen ohne Niederschlag müssen über hundert Gemeinden mit Trinkwasser aus Tankwagen versorgt werden, die normale Wasserversorgung in den Ortschaften ist zusammengebrochen. Das war die Realität in Frankreich im Sommer 2022. In Deutschland war die Situation in den vergangenen Jahren trotz mehrerer Dürresommer weniger dramatisch. Doch die Klimakrise verschärft sich weiter. Könnte es auch hier zu akutem Grundwassermangel kommen? Anhand von drei Indikatoren versucht dieser Artikel, sich einer Antwort auf diese Frage zu ­nähern.

Lückenhafte Daten zum Grundwasserpegel

Am einfachsten wäre es, sich die Entwicklung der aktuellen Grundwasserstände in Deutschland anzuschauen. Sinken sie langfristig? Erholen sie sich? Doch dabei gibt es in Deutschland ein grundsätzliches Problem: Keine Behörde erfasst bundesweit die Grundwasserstände. In den meisten Bundesländern stellen die Landesumwelt­ämter die Daten der Messstationen zur Verfügung, allerdings oft lückenhaft und nicht immer mit historischen Daten. Die Qualität der Grundwasserdaten ist daher sehr unterschiedlich und eine flächendeckende Auswertung nur eingeschränkt möglich.

Die EU kritisiert, dass es in Deutschland keine zentrale Erfassung von Grundwasserdaten gibt. Eine rechtliche Verpflichtung zur Erfassung und Ver­öffentlichung dieser Daten gibt es jedoch bisher auch auf EU-Ebene nicht.

Das Rechercheportal Correctiv.lokal hat dennoch möglichst viele lokale Grundwasserdaten im sogenannten Grundwasser­atlas zusammengetragen. Daraus geht hervor: Bei knapp einem Viertel der Messstationen sinkt der Grundwasserspiegel, bei etwas weniger als einem Sechstel steigt er an. Regional ist der Trend sehr unterschiedlich: In Nordrhein-Westfalen weisen 36 Prozent aller ausgewerteten Messstationen einen Rückgang auf, in Niedersachsen sind es 33 Prozent. Im Gegensatz dazu verzeichnen beispielsweise in Hessen 34 Prozent der Mess­stationen steigende Grundwasserstände.

Dürre in den oberen ­Bodenschichten

Da die Grundwasserdaten keine flächendeckende Einschätzung ermöglichen, werden weitere Indikatoren benötigt. Einer davon ist der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umwelt­forschung. Er untersucht die Trockenheit in den oberen 1,8 Metern des Bodens. Auch wenn das Grundwasser selbst in tieferen Bodenschichten liegt, dienen die oberen Bodenschichten als Beleg für das Verhältnis von Niederschlag und Temperatur, das mittelfristig auch für die Neubildung von Grundwasser entscheidend ist. Denn: Das Wasser aus den oberen Bodenschichten steht den Pflanzen während der Vegetations­periode zur Verfügung. Wird es jedoch nicht verbraucht oder verdunstet, sickert es tiefer in den Boden und kann sich dort wieder als Grund­wasser sammeln. Ist der Oberboden dagegen bereits ausgetrocknet, kann kein Wasser mehr ver­sickern.

Sowohl im Juni 2021 als auch im Juni 2022 waren weite Teile Deutschlands von teils starker Dürre betroffen. Anfang Juni 2024 meldete das Helmholtz-Institut jedoch für 91 Prozent des Bundesgebietes keine Dürre mehr. So wenig Trockenheit gab es in Deutschland seit 2018 nicht mehr.

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Übrigens: Der Boden kann auch mit Wasser gesättigt sein, auch dann versickert kein weiteres Wasser. Bei besonders starken Niederschlägen, wie Anfang Juni in Süddeutschland, kann ein bereits gesättigter Boden die Hochwasserlage noch verschärfen.

Verteilung des ­Niederschlags

Wichtig für die Entwicklung des Grundwassers ist nicht nur die Menge des Niederschlags, sondern auch dessen Verteilung im Verlauf eines Jahres. Normalerweise steht die Vege­tation in den Sommermonaten in voller Pracht. Die Wurzeln saugen den größten Teil des Niederschlags aus den oberen Bodenschichten auf, sodass nur sehr wenig Wasser versickert und die Grundwasserspeicher auffüllt. Das sogenannte Abflussjahr beginnt erst im November. Die Vegetation ist dann zu großen Teilen inaktiv, das meiste Regenwasser versickert und steht später als Grundwasser zur Verfügung.

In Deutschland deute sich eine Verschiebung der Niederschläge in die Wintermonate an, sagt Fred Hattermann. Er forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu den Auswirkungen der Klimakrise auf den Wasserhaushalt. Zwar müsse sich dieser Trend in den kommenden Jahren noch verstärken, um langfristige Auswirkungen zu haben. Die Folgen seien aber bereits 2023 sichtbar, so Hattermann: Der November war der zweitniederschlagsreichste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Dadurch konnten sich die Grundwasserspeicher besser erholen als in den Vorjahren.

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Die von Hattermann beschriebene Verschiebung der Niederschlagsmengen in die Wintermonate lässt sich mit den Daten des Deutschen Wetterdienstes zwar noch nicht bundesweit eindeutig belegen. Aber viele Regionen entsprechen dem Trend.

So zeigt die Messstation in Bad Bayersoien, einem Moorkurort im bayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen, eine deutliche Zunahme des Niederschlags im November und Dezember 2023 sowie im Januar 2024. In diesen drei Monaten regnete es 267 Liter pro Quadratmeter mehr als im langjährigen Mittel. Ein ähnliches Muster zeigt sich in Hohenbostel in Niedersachsen. Dort lag der Niederschlag zwischen November 2023 und Januar 2024 um 132 Liter pro Quadratmeter über dem Wert der Referenzperiode. An beiden Orten ist gleichzeitig eine deutliche Abnahme der Niederschläge in den Sommer­monaten zu beobachten.

Ist also alles wieder gut?

Zunächst: Neben dem Klimawandel haben auch andere Faktoren Einfluss auf die Entwicklung des Grundwassers. Vor allem im Rheinland und in der Lausitz sorgt der Braunkohleabbau für massive Probleme. Damit die Tagebaue, die oft unterhalb des natürlichen Grundwasserspiegels liegen, nicht volllaufen, wird Grundwasser abgepumpt und zum Beispiel in Flüsse geleitet. Auch große Chemiefabriken und die bewässerungsintensive Landwirtschaft haben einen hohen Wasserbedarf. In den betroffenen Gebieten sinkt dadurch der Grundwasserspiegel.

Fred Hattermann beurteilt die Lage trotz aller Einschränkungen „verhalten optimistisch“. Durch die Niederschläge im vergangenen Herbst und Winter habe sich das Grundwasser in Deutschland nach einigen Jahren der Trockenheit wieder etwas erholt. „Es kommt jetzt sehr auf die Niederschlags­entwicklung in den nächsten Jahren an“, wenn dieser Trend sich fortsetzen soll. Zudem müsse über Maßnahmen nachgedacht werden, die die Neubildung des Grundwassers unterstützen. Das kann beispielsweise der Umbau von Städten zu Schwammstädten sein. Diese können bei starken Regenfällen Wasser in unterirdischen Behältern zwischenspeichern und nach und nach an den Boden abgeben.

Eine wichtige Rolle rechnet Hattermann auch den deutschen Wäldern zu. Die Bäume seien nicht nur auf einen ausreichenden Grundwasservorrat angewiesen, sondern trügen auch zur Neubildung bei. „Nadelbäume sind ganzjährig grün. Deswegen bleibt gerade im Winter, wo sich Grundwasser neubilden sollte, viel Wasser an den Nadeln hängen und verdunstet“, so Hattermann. Der Umbau des Waldes von Nadelbaum-Monokulturen zu nachhaltigen Mischwäldern würde sich also auch positiv auf den Grundwasserspiegel in Deutschland auswirken.

Um jedoch aus dem Schätzen und Prognostizieren herauszukommen und die Situation sicher beurteilen zu können, ist ein besserer Überblick über die Grundwasser­situation unabdingbar. Dies ist mit der derzeitigen Datenlage weder ­mittelfristig noch gar tages­aktuell möglich.

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3 Kommentare

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  • Der alte Unterschied zwischen Wetter und Klima. Das jetzige Jahr (sowohl Herbst 2023, Winter 2023/24, Frühjahr 2024 und der bisherige meterologische Sommer seit Juni 2024) ist zu nass im Vergleich zu den Vorjahren. Ist das eine Ausnahme im Klimawandel oder waren die letzten trockenen Jahre die Ausnahme?



    Das Problem ist, das wir das sicher erst in 20 oder 30 Jahren wissen, wo die Reise hingegangen ist und was wir hätten tun müssen oder sollen.

    Für viele Bauern stellt sich jedes Jahr die Frage, was ausgesät werden soll: Eher auf heiss und trocken vorbereiten oder nass und feucht.



    Winzer müssen für die nächsten 20 Jahre entscheiden, welche Reben bei einer (Neu-)Anpflanzung sie setzen, denn solange dauert das Leben von Weinreben in kommerziellen Weingärten im Schnitt (es gibt auch einige wenige Jahrhunderte alte Rebstöcke an alten Kirchen und Schlössern, die blühen zwar noch, aber liefern keine Trauben mehr). Das Gleiche gilt für Obstbauern.

    Waldbauern müssen allerdings 60 bis 100 Jahre vordenken: Wenn es die nächsten Jahre so feucht bleibt, eher Buchen statts Eichen in den westlichen Mittelgebirgen pflanzen, und wenn es doch trockener werden sollte, lieber Eichen statts Buchen.

  • Ein Hinweis zu Nordrheinwestfalen, da für dieses Bundesland ein Rückgang des Grundwasserpegels hervorgehoben wird:



    www.spektrum.de/ne...pektrum-de/1222444



    "Jedes Jahr schaffen die Pumpen im Ruhrgebiet rund 100 Millionen Kubikmetern an die Oberfläche und leiten sie in die Zuflüsse des Rheins."



    Dies hat natürlich Auswirkungen (auch) auf den Grundwasserpegel.

  • Flussbegradigungen rückgängig machen, Auen und Moore wieder aktivieren, weitere Versiegelungen stoppen oder rückgängig machen, mehr Stauseen und wir hätten wieder unsere alten Grundwasserspiegel. Wobei wir hier bei uns (SW-DE) keine Probleme mit dem Grundwasserspiegel haben, alle Trinkwasserbrunnnen laufen seit Monaten wieder im grünen Bereich.